Hotelzimmer Benni und Mats

"Ist ja gut", flüsterte Jojo und streichelte unablässig über seinen Rücken. Auch wenn er wohl nicht daran glaubte, dass es wieder gut werden konnte. Aber man konnte doch über alles reden und das ließ sich sicherlich alles klären. Die beiden liebten sich doch. Wenn Benni sogar das Leben mit seinem Kind für Jule aufgab, zeigte das doch nur, wie sehr er ihn wirklich liebte. Und Julian liebte ihn doch auch. Das sah man einfach, wie sehr die beiden sich liebten.
Wenigstens ließ Benni seinen Gefühlen jetzt freien Lauf und stellte sich dem allem. Das war ein wichtiger Schritt.
"Wir kriegen das alles wieder hin. Das mit Julian... Das lässt sich bestimmt klären."

Benni war froh, dass Jojo einfach da war. Er konnte sich so richtig ausheulen, alles rauslassen. Bei Manuel war am Ende doch wieder der Wunsch nach Ablenkung gewesen, er hatte nicht darüber reden wollen. Bei Jojo jedoch wusste er ganz genau, dass er alles rauslassen konnte.
"Wie soll man da denn noch was hinkriegen?" flüsterte er resigniert.
"Ich hab ihn missbraucht, ich hab ihn betrogen, ich hab ihn verletzt und kaputt gemacht... wie sollen wir da irgendwie wieder ein glückliches Paar werden? Ihm geht's jetzt bestimmt besser als vorher."

"Man kann alles wieder hinkriegen", murmelte sie optimistisch. Auch wenn das wohl zu optimistisch war. Manche Sachen konnte man nicht verzeihen. Aber sie war sich sicher, dass Benni nichts allzu Schlimmes getan hatte und sich das alles nur schlimmer anhörte als es war. Er hatte Julian sicher nicht missbraucht. Dazu war er doch gar nicht in der Lage. Das mit dem Betrügen dachte er sich sicher nicht aus, aber da gab es ja auch verschiedene Abstufungen.
"Ihm geht es jetzt bestimmt nicht besser. Er hat dich so geliebt und tut es bestimmt immer noch. Wie soll es ihm da besser gehen?", fragte sie und streichelte ihm weiter beruhigend über den Rücken.
"Und jetzt erzählst du mir, was du genau gemacht hast."

Benni schluckte. Jojo klang so optimistisch, er konnte das einfach nicht glauben, dass das tatsächlich so einfach zurechtzubiegen war.
"Glaub mir, das willst du nicht hören", flüsterte er.
Immerhin müsste er dann im selben Atemzug auch von seinem Krankenhausaufenthalt erzählen und Jojo beichten, dass er versucht hatte sich umzubringen.
"Das Wichtige weißt du doch... ich will da nicht drüber reden."

"Du kannst mir alles erzählen", flüsterte sie ihm zu, hielt ihn dabei weiter im Arm. Egal, was er getan hatte. Sie waren Geschwister und das würde sich niemals ändern. Sie konnte sich nichts vorstellen, was einen Keil zwischen sie treiben könnte.
Aber wenn Benni nicht darüber reden wollte... Dann sollte sie ihn vielleicht nicht drängen. Sie würde es schon gerne wissen, aber sie konnte ihn schlecht zwingen. Grob wusste sie ja, was vorgefallen war.
"Und hast du mit Julian schon üer alles geredet?"

Benni lachte bitter.
"Worüber soll ich denn mit ihm reden? Das meiste... da hat er drunter gelitten. Ich hab ihn missbraucht, was soll ich da mit ihm drüber reden... nicht... nicht nur einmal. Ich hab keine Ahnung mehr, wie oft ich zu weit gegangen bin. Und als ich ihm gebeichtet hab, dass ich ihm fremdgegangen bin... hat er mich nur weggeschickt. Seitdem haben wir uns nicht einmal mehr gesehen..."
Er schluchzte erneut.
Julians kalte, gefühllose Stimme hallte immer noch in seinem Kopf wieder und Benni zitterte leicht.
"Da ist nichts mehr zu retten... vielleicht können wir froh sein, wenn wir eines Tages wieder normale Kollegen sind, aber... dazu wird es nicht kommen. Ich warte noch, dass mein Berater anruft. Ich will ihn nicht mehr wiedersehen und... ich hab gesagt, ich hör mit dem Fußball auf."

Julian hatte Benni also verlassen weil er ihn betrogen hatte? Gut, das konnte man ihm nicht direkt verdenken. Dabei klang das mit dem Missbrauch doch schlimmer. Aber das hatte Julian wohl verziehen. Dann konnte das nicht so schlimm gewesen sein. Vermutlich redete Benni es schlimmer als es war. Immerhin drückte er Zigarettenstummel auf seiner Hand aus. Er steigerte sich sicherlich zu sehr in diese Selbstvorwürfe hinein.
Sichtlich geschckt war Jojo, als Benni offenbarte, dass er mit dem Fußball aufhören wollte. Das konnte sie nun wirklich nicht glauben. Benni war Fußballer mit Leib und Seele. Das konnte er nicht aufgeben.
"Das wirst du nicht tun", stellte sie deshalb sofort klar. Vielleicht glaubte Benni momentan, dass es das Beste wäre. Aber das war es nicht und früher oder später würde er diesen Schritt bereuen.
"Meinst du, Jule verzeiht dir eher, wenn du dich so gehen lässt? Meinst du nicht, er wartet vielleicht darauf, dass du zu ihm gehst und dich entschuldigst und ihm sagst, dass du ihn liebst? Das tust du doch, oder?"

Dass Jojo es auch nur wagte, daran zu zweifeln, dass er Julian liebte, verletzte ihn.
Nein, ihn ließ das alles völlig kalt. Deshalb drückte er Zigarettenstummel auf seiner Hand aus und schlitzte sich die Arme mit Spiegelscherben aus.
Wortlos klemmte er sich die Zigarette in den Mundwinkel und krempelte sich den linken Ärmel seines Oberteils hoch.
Wortlos hielt er ihr den Arm mit der gut sichtbaren Narbe hin. Noch sah man, dass sie erst vor kurzem genäht worden war und ganz verblassen würde sie nie.
"Natürlich liebe ich ihn. Mehr als mein eigenes, gottverdammtes, erbärmliches Leben!"

Jojo starrte schockiert die Narbe an, die Benni ihr präsentierte. Was war das denn? Wo hatte er das her? Hatte er sich das selbst zugefügt? So, wie er auch die Zigaretten auf seiner Hand ausdrückte? Was bitte konnte einen Menschen dazu treiben, sich selbst so zu verletzen?
Sie hätte besser auf ihn aufpassen müssen. Sie hätte für ihn da sein müssen. Was hatte sie stattdessen gemacht? War auf ihrem Zimmer gewesen und hatte rumgeheult, dass Lewis einfach abgehauen war.
Aber sie wollte es besser machen. Ab sofort würde sie für ihren Bruder da sein.
""Hast... Hast du das dir angetan?", fragte sie nach, wollte es nicht glauben. Aber es machte schrecklich viel Sinn...
"Und wenn du Julian so liebst, wie du sagst... Warum kämpfst du nicht um ihn? Und warum bitte hast du ihn betrogen?"

"Warum ich nicht um ihn kämpfe?"
Benni lachte bitter und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette.
"Weißt du, Kleine... es gibt Dinge, die ich eben brauche, die er mir nicht geben kann, ohne sich selbst unglücklich zu machen. Und wenn er ohne mich glücklich ist, dann... ist das die richtige Entscheidung."
Immerhin war das auch, was er zu Julian gesagt hatte.
Er seufzte und lehnte sich zurück.
Dann durfte nach Julian jetzt also auch eine Schwester ein bisschen in den dunklen Abgründen schnuppern, die am besten nie entdeckt worden wären.

"Und du weißt, dass er ohne dich glücklich ist?" Das konnte sie sich absolut nicht vorstellen. Die beiden waren nicht lange zusammen gewesen, aber sie hatten dennoch viel durchgestanden. Sicherlich saß Julian gerade auf seinem Zimmer und heulte sich die Augen aus. Die beiden liebten sich ja und das würde sich sicherlich nicht so schnell ändern.
"Und was kann er dir denn nicht geben? Sex? Stimmt, da ist es natürlich einfacher, ihm fremdzugehen und ihn von dir zu stoßen. Ist an sich ja okay. Wenn man es braucht und ein Arschloch sein will... Aber dann heul hier nicht rum, dass du ihn angeblich so sehr liebst, wenn dir deine eigene Befriedigung offensichtlich wichtiger ist."
Sie wusste nicht, ob der strenge, anklagende Ton das richtige Mittel war. Aber irgendwie musste Benni doch aufwachen und sehen, dass das nicht der richtige Weg war.

"Schau ihn dir an, dann weißt du es", meinte Benni nur kalt.
Er hatte gesehen, wie Julian reagiert hatte, als er gegangen war. Es war fast, als ob er erleichtert gewesen war, dass endlich alles vorbei war.
"Es ist nicht einfach Sex", meinte Benni nur. Interesse daran, Jojo seine Vorlieben lang und breit zu erklären hatte er nicht und er war sich sicher, dass sie das auch nicht unbedingt wissen wollte.
"Mir ist nicht meine eigene Befriedigung wichtiger. Aber du kennst das Gefühl nicht, wenn man jedes verdammte Mal, wenn man irgendwas tut, das Gefühl vermittelt bekommt, dass man ein beschissener Partner ist, egal wie verdammt viel Rücksicht man nimmt. Und wenn man eigentlich eher auf das Gegenteil von harmlosem Blümchensex steht, zerrt das verdammt an deinen Nerven."

Jojo hoffte wirklich, dass Benni da nicht mehr ins Detail gehen würde. Sie wollte nun wirklich nicht alles über das Sexleben ihres Bruders wissen. Nur das, was sie momentan eben wissen musste. Das reichte auch an Infomationen.
"Also damit ich das richtig verstehe... Du willst es etwas... anders und Julian zieht nicht mit. Aber wieso machte Julian dir Vorwürfe, wenn du Rücksicht nimmst?"
Fragend und verwirrt sah sie ihn an. Das verstand sie nun wirklich nicht. Und stand Julian wirklich nur auf Blümchensex? Sie erinnerte sich da immer an eine Tüte mit Sexspielzeug...
Da gab es auf alle Fälle Puzzleteilchen, die ihr fehlten, damit sie alles verstehen konnte.
"Hast du mit ihm darüber mal geredet?"

Benni seufzte.
"Nein, nicht so wirklich... alles ist super, wir sind irgendwo mittendrin. Und plötzlich kriegt Julian einen Anfall und ich kann sofort aufhören und nur noch hoffen, dass er sich wieder beruhigt. Wenn er es tut, dann darf ich nur ganz vorsichtig weitermachen, und wenn er es nicht tut, dann ist Sense. Und ich habe keine Ahnung, wie es dazu kommt, was ihn dabei belastet. Alles, was von ihm kommt ist dann ein "Ich kann das nicht" und "Denk dran, was du mir angetan hast" und "du kümmerst dich gar nicht um mich, sondern nur um dich." Dabei tu ich verdammt noch mal alles, damit unsere Beziehung wieder normal wird, so wie... vorher."
Er stockte einen Moment. Diesen einen Punkt, an dem alles kaputt gegangen war... das hätte nie passieren dürfen, dann wären sie heute noch ein ganz normales, glückliches Paar.
"Ich hab hundertmal versucht, mit ihm zu reden, aber er REDET nicht, verflucht noch mal. Ich krieg immer nur die selben Floskeln."

Das klang alles schrecklich kompliziert, aber auch nicht unlösbar. Immerhin war das ja nur Sex. Wenn eine Beziehung daran scheiterte, war die Liebe wohl ohnehin nicht sonderlich stark. Aber das konnte und wollte sie sich bei den beiden nicht vorstellen.
Dass Julian ihm diese Vrwürfe machte, war sicherlich nicht schön für Benni und Jojo konnte verstehen, dass es ihn belastete. Aber rechtfertigte das einen Seitensprung?
Zudem hatte sie das Gefühl, dass ihr noch immer etwas Kontekt fehlte.
"Was genau wirft er dir denn vor? Was hast du ihm angetan?" fragte sie vorsichtig nach, nicht sicher, ob sie diie Antwort wirklich hören wollte.

Benni seufzte.
"Die ganze lange und unschöne Geschichte?"
Er nahm einen weiteren tiefen Zug, die Zigarette war aufgeraucht und ohne groß darüber nachzudenken, griff er nach der nächsten. Er zündete sie an, diesmal ohne sich den Finger zu verbrennen.
"Wir hatten Stress, jede Menge Stress. Wegen Lisa, wegen dem Baby, wegen allem möglichen Kleinkram. Und dann hab ich mich mit Manu wieder versöhnt und Julian ist vor Eifersucht fast geplatzt. Wir haben uns gestritten, er hat Schluss gemacht und nur kurz danach mit Max rumgemacht. Marco hat das gesehen und mir erzählt und ist dann so ziemlich über mich hergefallen und ich hab mich drauf eingelassen. Jule kam rein und wollte weglaufen, ich hab..."
Er zögerte einen Moment. "Ich hab dir Tür abgeschlossen. Julian gesagt, dass er zusehen soll. Irgendwann hab ich ihn gepackt und aufs Bett geworfen. Ich hab ihn da allgemein... ich war so wütend auf ihn in diesem Moment." Er schluckte und nahm einen weiteren tiefen Zug, der kratzige Rauch in seinen Lungen verhinderte, dass er sich zu tief in den Erinnerungen verlor.
"Erst als er angefangen hat, zu weinen, hab ich ihn losgelassen. Das ist passiert."

Jojo schluckte schwer. Sie hätte niemals gedacht, dass Benni so etwas tun könnte. Aber jetzt wusste sie auch, was er mit Missbrauch gemeint hatte. Richtig vorstellen konnte sie sich das nicht, wie das dann so eskaliert war und die Beziehung endgültig zerbrochen war.
Aber wenn sie sich vorstellte, dass sie Lewis mit einer anderen erwischte... wenn ihr so schlecht würde, dass sie nur noch gehen wollte, aber sie es nicht durfte, weil Lewis sie einsperrte und zwang, zuzusehen... wenn er sie so lang bedrohen würde, bis sie weinte... Sie wusste nicht, ob sie das verzeihen würde. Ob sie das überhaupt verzeihen wollte.
"Und für dich war es selbstverständlich, dass er dir verzeiht?", fragte sie nach. Immerhin klang es so. Natürlich war es nicht schön, wenn Jule ihm diese Vorwürfe machte und er konnte es verstehen, dass Benni sich das nicht immer anhören wollte. Aber vielleicht war es auch etwas undankbar, dass er es als selbstverständlich hinnahm, dass alles wieder normal war.
"Oder legt ihr es darauf an, euch gegenseitig unglücklich zu machen? Hat sich einer von euch mal Gedanken darüber gemacht, wie die Situation für den anderen ist?"

"Selbstverständlich?" Bitter lachte Benni, ein weiter Zug folgte und mittlerweile hing ein drückender Gestank nach Zigarettenrauch im Zimmer.
"Klar war das selbstverständlich, deshalb hab ich auch versucht, mich umzubringen und bin nur gerade so davon gekommen." Der Zynismus in seiner Stimme war klebrig und beißend und widerte ihn fast so an, wie der Geruch der Zigaretten oder die Erinnerung an das, was er getan hatte.
"Ich habe keine Ahnung, was Julian will. Ich weiß nur, dass ich verdammt noch mal alles getan habe, was er wollte. Ich habe ihn nicht gezwungen, bei mir zu bleiben, ich wollte Schluss machen, damit er das alles vergessen kann. Aber am Ende war er es, der zurückgekommen ist. Er hat gewusst, worauf er sich einlässt. Genauso wie ich es wusste. Ich habe ihm Zeit gegeben. Soviel er gebraucht hat. Aber es war alles wieder normal und dann hat er angefangen, so komisch zu werden."

Jojo wusste absolut nicht, was sie darauf erwidern sollte. Was sagte man denn, wenn der eigene Bruder einem offenbarte, dass er sich umbringen wollte? Also nahm sie ihn einfach wieder in den Arm und drückte ihn fest. Benni stank mittlerweile übel nach Zigaretten, aber das ignorierte sie. Sie selbst müsste sich nachher vermutlich auch duschen, dass der Gestank von ihr abfiel.
"Hör mal... Nichts und niemand ist es wert, dass du dich umbringst. Weil dann..." Sie stockte, rang mit ihrer Fassung. Wenn sie sich vorstellte, dass Benni sich wirklich umgebracht hätte... Damit könnte sie nicht umgehen und so konnte sie auch nicht verhindern, dass ihre Stimme brüchig wurde und ihre Augen einen feuchten Schimmer hatten.
"Ich wüsste doch gar nicht, was ich ohne dich machen soll."
Sie würde alles dafür tun, dass es Benni wieder besser ging. Nur dazu brauchte er Julian und die beiden mussten das wieder auf die Reihe bekommen.
"Wenn es für dich nicht selbstverständlich war...", kam sie auf das Thema zurück und bemühte sich wieder um ihre Fassung, atmete tief durch. "Kann es dann sein, dass ihr etwas undankbar seid? Und damit mein ich euch beide. Julian, weil er es nicht anerkennt, dass du dir Müe gibst und du, weil du willst, dass sofort wieder alles normal ist?"

Benni merkte, dass auch Jojo Probleme hatte, ihre Fassung zu bewahren. Trotzdem erwiderte er ihre Umarmung nicht, blieb einfach nur steif sitzen.
"Ich brauche aber einen ganz normalen Umgang. Ich brauch auch Zeit, um mich zu erholen. Aber das ist völlig untergegangen und ich durfte ihn ständig wieder aufbauen, weil... keine Ahnung, weil er irgend ne Macke hat, es aber nicht fertig bringt, drüber zu reden. Und ich soll die ganze Zeit stark bleiben, für alle?"
Er fragte sich allmählich wirklich, ob es Julian je interessiert hatte, wie es ihm ging. Er hatte doch ständig nur an sich gedacht, hatte sich ständig nur mit seinen eigenen Problemen beschäftigt.

"Du musst nicht für alle stark bleiben." Vermutlich konnte er das momentan auch gar nicht. Wenn Benni einen Selbstmordversuch hinter sich hatte, sollte er sich vor allem um sich selbst kümmern. Er konnte nicht Verantwortung für alle übernehmen.
Und allmählich wusste sie auch nicht mehr, was besser war für die beiden. Anscheinend konnten sie nicht mit, aber auch nicht ohne einanander.
"Hast du ihm das so mal gesagt? Ihr braucht ja scheinbar beide Hilfe. Vielleicht war es da einfach nur gut, dass ihr so viel aufeinander gehockt seid?" Vielleicht brauchten sie ja beide einfach Zeit und etwas Ruhe für sich, nur hatte die keiner von beiden bekommen.
"Willst du überhaupt noch mit Julian zusammen sein?" Da hatte sie langsam auch ihre Zweifel daran.

Benni seufzte.
"Ganz ehrlich... ich weiß es nicht. Ich will mit ihm zusammen sein, das schon... aber ich weiß auch, dass es nicht gut wäre."
Und das war es auch, was ihn im Moment so fertig machte. Die Auswegslosigkeit dieser Situation brachte ihn allmählich an seine Grenzen.
Er hielt es ohne Julian nicht aus... und mit ihm war es auch nicht besser.
"Manchmal glaub ich, dass es das beste wäre, wenn ich versuch, das alles zu vergessen. Wenn ich mir so viel Abstand nehm wie möglich."
Er lehnte sich zurück, sah aus dem Fenster auf das blaue Wasser, das in der Ferne mit dem ebenso blauen Horizont verschwamm.
"Irgendwo hingehen, wo ich komplett neu anfangen kann. Vielleicht zusammen mit Lisa und der Kleinen, eine ganz normale Familie..."

"Und meinst du, das ist fair Lisa gegenüber?" Sie hatte da ihre Zweifel. An sich stimmte es sicherlich, dass ein Kind am besten bei Mutter und Vater aufgehoben war. Aber es war nicht das Beste, wenn Benni und Lisa sich nicht mehr liebten und beide auf Dauer unglücklich damit wären.
"Ich meine, das ist deine Entscheidung und das musst du wissen. Es ist nur... Du hast doch immer für das gekämpft, wenn du was wirklich wolltest. Ob das nun war, dass du in den Profikader willst oder der Gameboy, den du unbedingt wolltest. Und ich dachte, Julian würde auch in diese Kategorie gehören."
Aber das musste Benni wissen. Sie wollte nur, dass er glücklich war und nichts tat, was er später einmal bereuen könnte.

Langsam schüttelte Benni den Kopf.
"Das mit Julian... das ist was anderes. Wenn es ihm ohne mich besser geht, dann will ihm das geben. Wenn ich da drunter leide, ist das nicht so schlimm, das geht vielleicht irgendwann weg. Man hat doch gesehen, dass das nicht funktionieren kann. Immer wieder haben wir uns wegen Kleinigkeiten gestritten und jedes Mal ist es eskaliert."
Er nahm einen tiefen Zug, schnippte den Zigarettenstummel einfach in Richtung Papierkorb, wo er immer noch glimmend auf dem Fliesenboden landete.
"Ich liebe ihn. Das ist alles, was ich sicher weiß. Mehr als mein eigenes, gottverdammtes Leben und mehr als Schalke und den Fußball."

"Ich glaub aber nicht, dass es Julian besser geht, wenn ihr getrennt seid. Und du wirst ohne ihn auch nicht glücklich. Was ist bitte der Sinn dahinter, wenn ihr beide unglücklich seid?"
Da war sie wirklih froh, dass das mit Lewis so umkompliziert war. Nur wie sollte sie ihre neue Liebe genießen, wenn ihr Bruder todunglücklich war. Wenigstens schnippte der die nächste Zigarette einfach weg und drückte sie nicht auf seiner Hand aus.
"Auch wenn es bisher bescheiden bei euch gelaufen ist... Vielleicht braucht ihr eben nur etwas mehr Zeit, um euch aufeinander einzustellen."