Hotelzimmer von Emilia

Emilia war ratlos. Sie hatte keine Ahnung, was sie machen sollte. Toni war wirklich in einer beschissenen Situation. Sie hielt ihn einfach weiterhin im Arm und strich ihm beruhigend über den Rücken. Eine Frage interessierte sie jedoch noch brennend. "Toni?", flüsterte sie. "Willst du mir sagen, wer es ist? Also kenne ich ihn?" Sie hatte während sie sprach de Umarmung nicht gelöst. Sie wollte Toni zeigen, dass sie für ihn da war und ihn nicht verurteilte. Für seine Gefühlt konnte man immerhin nichts. Das bemerkte Emilia gerade ja auch.

Toni genoss es, dass Emilia einfach für ihn da war, ihn hielt. Fast die ganze Zeit war es andersherum gewesen, aber jetzt brauchte auch er das mal.
Ihre Frage war verständlich und so nickte er nur. Ihn hätte das bestimmt auch brennend interessiert, wer es war und nachdem er ihr schon den Anfang erzählt hatte, konnte er ihr auch alles erzählen.
"Thomas", murmelte er leise.

Emilia löste sich leicht von Toni, um ihm in die Augen zu sehen. "Thomas? Welcher Thomas?", fragte sie und sah ihren Bruder verwirrt an. Dann machte es plötzlich 'Klick' in ihrem Kopf und sie riss die Augen weit auf. "Müller? Thomas Müller?", wollte Emilia geschockt wissen. War Toni in seinen Mannschaftskollegen bei Bayern und hier bei der Nationalmannschaft verliebt? Es wurde ja immer schlimmer.
Noch bevor Toni antworten konnte, hatte Emilia ihn wieder in ihre Arme gezogen.

Emilia schien zu rätseln, wen er genau meinte, und Toni wollte gerade seinen Mund öffnen, um auch einen Nachnamen zu nennen, als Emilia von selber drauf kam. Ihre Reaktion fand er aber ziemlich seltsam. Hatte sie ein solches Problem mit Thomas?
"Hast du da ein Problem mit?", erkundigte er sich verwirrt. Thomas war doch ein offener, freundlicher und witziger Mensch, er kannte fast niemanden, der Thomas nicht mochte. Genau deshalb wirkte er ja auch so unwiderstehlich auf Toni.

Emilia löste sich wieder von Toni, um ihm in die Augen zu sehen. "Nein, so war das nicht gemeint. Ich hab nichts gegen Thomas. Ich hab nur so reagiert, weil er doch mit dir in einer Mannschaft spielt und ich mir es deshalb sehr schwierig vorstelle für dich.", sagte sie sanft und lächelte Toni leicht an. Dann zog sie ihn wieder in ihre Arme. "Das wird alles wieder. Du findest ganz sicher eine Lösung und ich helfe dir, wo ich nur kann. Du musst es mir nur sagen."

"Ist es auch", hauchte er zustimmend. Wenn er Thomas nicht ständig über den Weg laufen würde, wäre das alles viel einfacher für ihn und vielleicht wäre er dann auch schon über diese albernen Gefühle hinweg. Er konnte ihm ja nicht dauerhaft aus dem Weg gehen, das würde auch merkwürdig wirken.
"Danke", blickte er sie erleichtert an. Das bedeutete ihm viel, dass seine Schwester zu ihm hielt. Er war sich zwar nicht so sicher, ob sich da wirklich eine bessere Lösung finden ließ als sein Beschluss, dass alles zu vergessen, aber das würde schon werden.

"Bitte.", flüsterte Emilia gegen Tonis Ohr. Es tat ihr weh, ihn leiden zu sehen und so konnte es auf keinen Fall weiter gehen. Aber eine Lösung für das Ganze fiel ihr bei bestem Willen auch nicht ein. Nur eins wollte sie noch los werden. Sie mochte Tonis Freundin wirklich und sein Sohn bedeutete ihr sehr viel, aber sie musste das ihrem Bruder einfach sagen. "Aber Toni, versprich mir eins. Entscheide nicht, was dein Kopf dir sagt, sondern lass dein Herz entscheiden. Es bringt nichts, wenn du bei Jessi und dem Kleinen bleibst und dann dein Leben lang unglücklich bist."

Emilia kannte ihn einfach zu gut, denn sie schien zu wissen, dass Toni genau das vorhatte. Hatte er ihr das nicht sogar gesagt? Egal, er war verwirrt gerade. Noch mehr als sonst.
"Bin ich glücklicher, wenn ich meinen Sohn nicht mehr sehe?", stellte er die Gegenfrage. Das fragte er sich schon die ganze Zeit. Es wurde oft gesagt, dass Eltern das Wohl ihrer Kinder über ihr persönliches stellten und genau das tat Toni im Prinzip auch gerade.

Emilia verstand Tonis Bedenken. Aber eigentlich schätzte sie Jessica nicht so ein, dass sie ihm seinen Sohn wegnehmen würde. "Du wirst den Kleinen nicht verlieren. Sowas macht Jessi nicht. Klar wird sie verletzt und sauer sein. Aber sie wird weder dir noch dem Kleinen antun, dass du ihn nicht mehr sehen darfst.", erklärte Emilia.

Toni musste Emilia zustimmen. Das traute er Jessi auch nicht zu. Aber trotzdem...
"Wie oft kann ich ihn denn dann noch sehen?" Jedes zweite Wochenende konnte er wohl vergessen und er hatte genau das nie für seine Kinder gewollt, dass sie mit getrennten Eltern aufwuchsen. Außerdem war es doch eh überflüssig, sich darüber Gedanken zu machen, Thomas würde sich nicht für ihn interessieren und fertig.

"Du spielst in München und Jessi wird bestimmt auch nicht wegziehen mit dem Kleinen. Sie kommt von da, arbeitet da und hat ihren Freundeskreis da. Warum sollte sie also weg ziehen? Und dann ist es doch kein Problem Simon zu sehen.", erklärte Emilia und strich weiterhin über Tonis Rücken. Warum musste er jetzt auch noch Probleme haben? Reichte nicht seine Verletzung und das ganze Drama um Emilia?

Toni nickte nachdenklich. Er war zwar viel unterwegs, aber vielleicht würde es ja wirklich gehen, wenn es nötig war. Da es aber wohl ziemlich sicher nicht nötig werden würde, war es auch überflüssig, sich über ungelegte Eier aufzuregen.
So ließ er sich lediglich nach hinten sinken und zog Emilia mit sich. Ihre Nähe tat gerade gut und da würde er einen Teufel tun und sich davon nicht ein bisschen aufbauen lassen.

Emilia ließ sich von Toni mit sich ziehen. Sie kuschelte sich an ihn und schloss die Augen. "Ich hab dich lieb Toni und bin wirklich froh, dass ich dich habe.", sagte sie leise und strich über seinen Arm. Sie war gerade wirklich froh darüber. Eine Weile blieb sie einfach so liegen und genoss die Nähe zu ihrem Bruder.
"Meinst du, du hast bei Thomas gar keine Chance?", fragte sie dann plötzlich in die Stille hinein.

"Ich hab dich auch lieb", flüsterte er mit geschlossenen Augen. Dass er froh war, dass sie bei ihm war, war so offensichtlich, das sprach er gar nicht erst aus. Besonders oft lagen sie nicht zusammen so da, schließlich sahen sie sich so oder so kaum, also genoss er es umso mehr.
Ihre Frage brachte ihn dazu, seine Augen doch wieder zu öffnen.
"Da bin ich mir sehr sicher", konnte er die Traurigkeit nicht so wirklich aus seiner Stimme vertreiben. Was sollte Thomas denn auch von ihm wollen? Allein der Gedanke war lächerlich.

Emilia bemerkte, wie traurig Toni wirklich war. Er hatte so richtig Liebeskummer. Sie richtete sich leicht auf, um ihren Bruder anzusehen. "Aber warum bist du dir denn da so sicher? Ihr habt euch doch immer gut verstanden, oder nicht?", fragte sie und versuchte Toni aufmunternd anzulächeln. Wer wusste schon, ob Thomas nicht auch auf ihren Bruder stand?

"Wir passen überhaupt nicht zusammen", stellte Toni resigniert fest. Da brauchte man doch gar nicht drüber nachdenken, das war halt so und Ende. Thomas war viel zu offen und zu gut für ihn, der konnte sicher nichts mit einem Sensibelchen wie Toni anfangen. Nein, da brauchte man sich überhaupt keine Hoffnungen zu machen.
Dass sie befreundet waren, war doch eher ein Gegenargument, schließlich würde Toni einen Teufel tun und die Freundschaft aufs Spiel setzen.

"Ach Toni.", sagte Emilia uns legte ihren Kopf auf Tonis Brust ab. Doch dann hob sie ihren Kopf wieder. "Aber... also... Thomas ist doch, also... ähm... er steht doch auch auf Männer. Vielleicht steht er dann ja doch auf dich?", fragte sie ihren Bruder. War er eigentlich jetzt schwul? Oder bi? Oder was war Toni denn jetzt?

Irgendwie schien Emilia nicht von der Idee loszukommen, dass Thomas in ihn verliebt sein könnte, dabei war das doch nun wirklich abwegig.
"Ja, er steht auf Männer. Aber er ist in Manu verliebt, okay? Und Manu und ich haben außer der Haarfarbe nun nichts gemeinsam."
Manu war schließlich selbstbewusst und überhaupt, der war einfach nicht wie Toni. Da Thomas auf solche Typen zu stehen schien, konnte er das komplett vergessen.

Dass Toni sogar etwas lauter wurde, zeigte Emilia, dass er wirklich verzweifelt war. "Das heißt doch nichts Toni. Ron und Mario sind auch komplett verschieden, aber trotzdem war ich erst in den einen und jetzt in den anderen verliebt.", sagte sie leise, aber schwieg dann. Das war jetzt erstmal besser. Sie legte ihren Kopf wieder auf seiner Brust ab und schloss ihre Augen.

"Aber Thomas ist nicht du. Und an mir ist nun mal nichts, in das er sich verlieben könnte", widersprach Toni, zuckte dann selber zusammen. Scheiße, war er echt zu so einem weinerlichen Idioten verkommen? Ihm wurde ja fast von seinem eigenen Gerede schlecht.
"Okay, sag nichts", blockte er all ihre Versuche ab, ihm den Scheiß auszureden. Er musste sich endlich wieder zusammenreißen und das würde er.
"Aber das mit Thomas und mir wird trotzdem nichts."
Das war so und das würde auch so bleiben.

Emilia legte ihre Hand einfach auf Tonis Arm und strich sanft darüber. "Oh man Toni.", sagte sie leise. Sie hatte immer noch ihre Augen geschlossen. "Aber es wird alles wieder gut. Glaub mir. Und das geht schneller, als du denkst. Noch vor zwei Wochen ist bei mir die ganze Welt zusammen gebrochen und ich wusste nicht, wie es jemals weiter gehen sollte. Aber jetzt bin ich verliebt, der Vater meiner Kinder steht zu den Kleinen. Ich kann weiter studieren und hab sowohl Mario, als auch Manu bei mir."

Toni verkniff sich den Hinweis, dass nicht bei jedem sozusagen ein Wunder geschah. Er freute sich für seine Schwester, dass sie ihr Wunder bekommen hatte, aber er ging nicht davon aus, dass ihm auch eines passieren würde.
Trotzdem könnte er zumindest anfangen, ein bisschen an sich selber zu arbeiten.
"Gleich ist das Spiel, oder?", erkundigte er sich. Allzu lange konnte es zumindest nicht mehr dauern, bis sie aufbrechen mussten. Obwohl er gerade nicht zur Mannschaft gehörte, würde Toni sich das Spiel auf jeden Fall auf der Tribüne ansehen und mitfiebern.

Emilia bemerkte, wie Toni von Thema ablenkte, aber sie ging darauf ein. Sie war schon froh, dass er ihr überhaupt etwas gesagt hatte und sie würde ihn ein andermal wieder drauf ansprechen.
Sie sah auf ihre Uhr. "Ein bisschen haben wir noch. Sollen wir noch was machen, oder einfach hier liegen bleiben?", fragte sie und kuschelte sich wieder an ihn.

So, wie Emilia sich an ihn kuschelte, beantwortete sie sich die Frage gewissermaßen schon selbst.
"Liegen bleiben", entschied Toni sich also und schloss die Augen.
Er war nicht müde oder so, aber es tat ihm gerade einfach gut, sich ein bisschen zu entspannen.
Seine Gedanken flackerten zu Thomas. Sollte er wirklich eine Chance bei ihm haben? Wenn er sich daran erinnerte, wie Mario ihn in diesen Klamotten im Geschäft angeguckt hatte, konnte das sogar sein. Andererseits war das Mario gewesen, der sich noch nie mit Versuchen, ihn selbstbewusster zu machen, zurückgehalten hatte.
Irgendwie wusste er jetzt selber nicht mehr, was er denken sollte. Zu viele Leute hatten in letzter Zeit auf ihn eingeredet. Vielleicht war er mittlerweile sogar so verblendet, dass er sich sowieso nur einbildete, in Thomas verliebt zu sein?

Emilia und Toni blieben eine Weile so liegen und gingen einfach ihren Gedanken nach.
Emilia dachte an Mario und an die Zwillinge und wie ihre Zukunft laufen sollte. Bis ihr Blick dann auf die Uhr fiel. Sie stand auf und lächelte ihren Bruder an. "Ich mach mich mal schnell fertig.", sagte sie und ging ins Bad. Mit einem Trikot (ohne Namen) und fertig gerichtet, kam sie wieder zu Toni. "Dann lass uns mal los.", meinte Emilia und zog Toni mit sich.

Toni und Emilia tbc: Lobby