Hotelzimmer Benni und Mats

Julian schien wirklich Angst zu haben, wovor auch immer. Vor seiner Reaktion auf den Ordner?
"Jule, hör auf zu zittern und schau mich nicht so verschreckt an", meinte Benni ruhig. Er stand auf und sah Julian ernst an, zog den Ordner, den Julian fest an seine Brust gedrückt hatte, aus seinen Armen.
Dann setzte er sich wieder hin und sah Julian ernst an.
Die Zeitungsartikel, Autogrammkarten... das alles war etwas seltsam, aber viel unheimlicher waren allerlei Fotos. Teil völlig unverfänglich, welche die sichtlich einfach beim öffentlichen Training entstanden waren, teils aber auch sehr private, aus der Kabine oder von ihm und Lisa. Wobei letztere meistens aussahen, als hätte Julian auf ihnen seine Wut an Lisa ausgelassen.
Und das, was am gruseligsten war, war die Tatsache, dass viele der Bilder schon alt waren. Älter als drei Jahre. Ein Zeitungsartikel trug als Datum 2007, auf vielen Fotos war Benni selbst noch ein Jugendlicher. "Erklär mir das bitte", forderte er.

Hilflos sah Jule Benni dabei zu, wie er den Ordner durchstöberte. Dabei entgingen ihm natürlich nicht die ganz alten Sachen, die Jule schon mit 14 oder 15 gemacht hatte. Natürlich fragte er sich, warum Jule das alles getan hatte und da sollte er ihm wohl alles erklären. Zumindest so weit er eben konnte. Dabei war es ihm wirklich unangenehm.
Verunsichert stand er vor Benni, verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere.
"Weißt du noch, als du mich in die Besenkammer gezerrt hast? Das hat mir damals schon viel bedeutet...", begann er zu erklären. "Ich hatte doch sonst nichts von dir und dann hab ich angefangen, Sachen zu sammeln..."

Benni seufzte.
"Wir saßen... wie lange? Eine Stunde? Zwei? Wir saßen in einer Besenkammer und haben die Zeit totgeschlagen."
Benni konnte sich ja selbst nur noch dunkel dran erinnern. "Das meinst du doch nicht ernst."
Er schüttelte den Kopf und hielt jetzt ein Foto, das seine nackte Rückansicht zeigte, hoch.
"Und wie zum Henker kommst du an solche Fotos? Hast du mich gestalkt?"

"So zwei Stunden ungefähr", murmelte Jule noch immer unsicher und sah zu Boden. Das war etwas, was er Benni niemals hatte sagen wollen. Er wusste ja, dass es total verrückt war und Benni ihn für irre halten musste. Aber er liebte ihn doch... und das schon so lange.
Jetzt entdeckte Benni auch die pikanten Fotos und Jule wurde rot um die Nase. Er war wirklich ein unheimlicher Irrer.
"Vielleicht ein bisschen gestalkt... und Fotos gemacht... Aber ich hab dich sechs Jahre lang so geliebt und du hast mich nie auf diese Weise beachtet... Ich wollte doch nur auch was von dir haben."

Benni schüttelte nur den Kopf. "Du spinnst", stellte er nur fest und lehnte sich zurück.
Er blätterte weiter durch das Album.
"Deshalb auch der... nette Umgang mit den Bildern von Lisa", stellte Benni fest.
Julian hatte wirklich nicht mehr alle Latten am Zaun. Vermutlich hätte ihn das noch vor zwei Wochen so angegruselt, dass er nichts mehr mit Julian zu tun hätte haben wollen.

Sein Umgang mit den Bildern von Lisa war wirklich nicht der Netteste gewesen. Er hatte sie entweder irgendwie angemalt oder mit einem Kugelschreiber einfach kräftig über ihr Gesicht gekritzelt, bis es das Foto zerkratzt hatte.
"Bitte sei mir nicht böse", bat er Benni schüchtern und leise.
Er war doch nur wirklich verliebt. Seit sechs Jahren schon und heute liebte er Benni nur noch viel mehr als am Anfang, konnte ohne ihn doch gar nicht mehr leben.

"Warum sollte ich dir böse sein?" fragte Benni jetzt.
Er klappte den Ordner zu und legte ihn zur Seite, klopfte neben sich auf die Matratze.
Vielleicht wäre er früher sauer gewesen. Aber mittlerweile war so viel passiert, dass davon die Welt nicht untergehen würde.
"Es ist schon irgendwie gruselig, zu wissen, dass du mir schon hinterhergelaufen bist, als ich selber erst neunzehn war... das ist ne verdammt lange Zeit."

Jule war noch immer leicht unsicher, setzte sich aber schnell neben Benni auf die Matratze und lehnte sich an ihn. Wenn Benni ihm nicht böse war, war das mehr, als er erwarten konnte. Immerhin war es wirklich gruselig, wie Jule Benni beobachtet hatte und Fotos in allen möglichen Lebenslagen gemacht hatte.
"Ich weiß... aber ich kann auch nichts dafür, dass ich schon damals in dich verliebt war. Und ich wusste doch, dass ich keine Chance hatte."
Das war wirklich oft schmerzhaft gewesen, immer unsichtbar für Benni zu sein. Später waren sie zwar Freunde geworden, aber auch dann waren seine Gefühle immer unerwidert geblieben.

Benni seufzte und legte einen Arm um Julians Schulter.
"Es tut mir Leid", murmelte er und drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe.
Sechs Jahre... das war länger als Benni mit Lisa zusammen gewesen war. Das war länger als er überhaupt wirklich wusste, dass er bi war.
Das war so wahnsinnig lange, dass es ihm Furcht einflößte.

"Muss dir nicht leid tun... Mir tuts leid, was ich gemacht hab."
Am Anfang konnte man es ja noch mit pubertärer Dummheit erklären. Aber er hatte es ja auch vor wenigen Wochen noch gemacht und da war er definitiv schon erwachsen gewesen.
Aber er war einfach total verliebt gewesen. Er hatte nur auch etwas vom Kuchen abhaben wollen und Benni nahe sein. Wenn auch auf diese gruselige Art und Weise.

Benni lächelte und zog Julian eng an sich, schlang seine Arme um ihn.
"Es ist... nicht so schlimm. Klar ist es irgendwie gruselig, aber... ich kanns verstehen und ich bin deswegen auch nicht böse."
Er liebte Julian und vermutlich würde er ihm alles verzeihen. Er war einfach nur froh, dass sie nach allem, was in den vergangenen Tagen passiert war, noch zusammen waren und das wollte er nicht wieder zerstören.

Julian lächelte erleichtert. Gruselig war es wirklich, aber solange Benni ihm nicht böse war, war alles in Ordnung.
"Ich hab das wirklich nur gemacht, weil ich dich liebe", beteuerte er und sah Benni aus treudoofen Augen an.
Sechs Jahre waren wirklich eine lange Zeit, besonders, wenn er selbst doch gerade einmal 20 war. Aber er hatte schon immer gewusst, dass Benni der Richtige für ihn war.

"Lass den Hundeblick sein", protestierte Benni. Allerdings entfaltete der natürlich auch bei ihm seine Wirkung, wie sollte es auch anders sein?
Er seufzte und legte eine Hand in Julians Nacken, zog ihn zu sich und küsste ihn liebevoll.
Er war nicht böse. Und er wusste, dass es nichts brachte, sich jetzt wegen der Vergangenheit zu streiten.

Den Hundeblick ließ er sicherlich nicht bleiben und er erzielte auch genau die Wirkung, die er beabsichtigen wollte.
Sie hatten doch wirklich schon Schlimmeres durchlebt. Da würden sie das hier auch schaffen. Das würde sie nicht auseinander bringen.
Er lächelte gegen Bennis Lippen, kuschelte sich ganz eng an ihn.
"Ich bin auch nur ein kleines bisschen irre", schwor er, lächelte schief.

Benni lachte leise.
"ICh denke, damit kann ich leben", stellte Benni fest.
Ein kleines bisschen irre waren sie doch alle.
"Hauptsache, du versprichst mir, dass du so etwas nie wieder tust."
Wenn Julian ihn noch weiter bespitzelte, wäre das wohl glatter Vertrauensmissbrauch. Aber das traute Benni ihm eigentlich überhaupt nicht zu.

Energisch schüttelte Jule den Kopf.
"Hab ich doch eh keinen Grund mehr zu."
Höchstens, wenn Benni sich wieder trennen wollte. Aber davon ging er nicht aus und er wollte auch gar nicht daran denken. Und falls sie sich doch trennen sollten, war es eh schon egal und Jule konnte ihn weiter stalken.
"Aber wenn ich mal mit dem Handy ein paar Nacktfotos von dir mache, ist das okay, oder?", fragte er mit einem schiefen Grinsen.

Benni verpasste Julian nur einen Klaps auf den Oberschenkel.
"Siehst du das nicht schon oft genug in der Realität?" fragte Benni grinsend.
"Da brauchst du doch keine Fotos mehr von machen."
Er zumindest konnte auch ohne es zu sehen, nur aus seinem Gedächtnis heraus, jeden Muskelstrang, jedes Muttermal, jede Narbe, einfach jedes Detail an Julians Körper vor sich sehen.

"Kann man das denn oft genug sehen?", stellte Jule die Gegenfrage.
Er konnte sich Bennis Körper genau vorstellen, kannte diesen Körper zu genau. Er kannte seinen Körper in- und auswendig, jedes Detail hatte er in seinem Kopf eingespeichert.
"Außerdem sind Fotos was Schönes."
Gerne auch Nacktfotos. Aber davon hatte Jule ja auch schon ein paar...

Benni grinste. Damit hatte Julian vielleicht Recht. Oft genug konnte man das nicht sehen.
Er zupfte an einem Bild, das halb aus dem Ordner heraus hing und ihn zeigte, wie er, offensichtlich im Trainingslager, wie die Menge an Chaos im Zimmer vermuten ließ, nur mit einem reichlich verrutschten Handtuch um die Hüften auf einem Bett lag und friedlich vor sich hin schlimmerte.
"Das merkt man", meinte er grinsend und hielt das Bild Julian unter die Nase. "Du fotografierst offensichtlich gern."

Julian lachte leise, kuschelte sich gemütlich an Benni. Vielleicht kamen sie mit der Sache viel besser klar, wenn sie es mit Humor nahmen. Es war nicht okay, was Jule getan hatte, aber immerhin hatte er nur Fotos gemacht. Immerhin war er nicht in Bennis Wohnung eingebrochen und hatte in seinem Bett geschlafen. Er hatte nach dem Training nur oft sein Shampoo oder Duschgel verwendet. Aber das hatte er auch bei Timo getan und von dem wollte er nichts.
"Manche Sachen musste ich eben fotografieren."

"Ich hoffe mal, wir haben uns da eh das Zimmer geteilt", meinte Benni grinsend.
Der Gedanke, dass Julian seine Privatsphäre verletzt hatte, bereitete ihm etwas Unbehagen. Aber er vertraute ihm, dass er die Grenzen kannte und wirklich nicht mehr gemacht hatte, als ihm hinterherzulaufen und ihn in allen möglichen und unmöglichen Situationen zu fotografieren.

"Haben wir", bestätigte Jule. Die meisten Bilder waren ja wirklich entstanden, weil Jule zufälligerweise sein Handy griffbereit gehabt hatte und Momente fotografiert hatte, in denen er anwesend war. Benni richtig nachgestellt hatte er eigentlich nur anfangs, aber da war er wirklich ein dummer Teenager gewesen.
"Immerhin wusste ich gar nichts von Manu und dir. Also kann ich dir gar nicht so sehr nachgestellt haben."
Genauso wenig hatte er etwas von Höger und ter Stegen mitbekommen. Ein richtiger Stalker hätte das alles gewusst.

Benni überlegte kurz.
"Stimmt schon", meinte er.
Er lachte und strubbelte Julian durch die Haare, bevor er ihn an sich zog und ihn in einen liebevollen und ausgiebigen Kuss verwickelte.
So schlimm war das nicht. Er kam schon gut damit klar, dass Julian ein paar ziemlich stalkerhafte Sache angestellt hatte.

Julian war froh, dass alles wieder gut war zwischen ihnen. Sie liebten sich und das würde sie nicht auseinander bringen. Immerhin wusste Benni ja jetzt, wie lange Jule tatsächlich schon in ihn verliebt war und das wollte er keinesfalls aufs Spiel setzen, dass er seinen Traummann endlich hatte.
"Dann können wir heute also noch unser neues Spielzeug ausprobieren?", fragte er, lehnte sich dann zu Benni, um ihm die nächsten Wort ins Ohr zu raunen. "Vielleicht willst du dann ja doch etwas böse sein."

Julians Worte jagten ihm einen wohligen Schauer über den Rücken und er strich nachdrücklich über seinen Oberschenkel. Praktischerweise trug Julian ja auch nur noch seine Shorts.
"Weißt du... der eine Plug liegt schon im Kühlschrank", raunte Benni zurück. "Da wartet er schon drauf, endlich benutzt zu werden... aber ich fürchte, das dauert noch ein wenig."
Dafür würde es bestimmt spannend sein, ihr neues Spielzeug auszuprobieren.