Die Lounge

"Ich hab ihr schonmal Tropfen gegen Übelkeit. Sie wollte sich erstmal ausruhen, bestimmt geht sie dann später auch zu MüWo. Keine Angst, das bekommen wir schon hin." Er merkte, wie Philipp sauer wurde. Er war wirklich Kapitän durch und durch. Die Mannschaft war das wichtigste und alle anderen mussten sich unterordnen. Das meinte er nicht böse, aber er wollte einfach das Beste für das Team. Das kannte Mario schon aus Dortmund. "Natürlich wollen wir alle Weltmeister werden. Wir sind die goldene Generation und wollen endlich den Titel. Für uns, für unser Land und die Menschen in unserem Land." Er musste grinsen, als er daran dachte, wie er noch vor einigen Jahren selbst beim Public Viewing gestanden hatte und den Jungs zugejubelt hatte. Und jetzt konnte er selbst dazu beitragen, den Titel in die Heimat zu holen.

Philipp musste über Marios Worte lächeln. Ja, er hatte Recht mit dem, was er da sagte. Zumindest hoffte er das.
Der Kapitän ließ sich etwas tiefer in den Sitz gleiten und streckte seine Beine aus. Die Arme verschränkte er hinter dem Kopf und er schloss kurz die Augen. Scheiße, ey, warum konnte er sich nicht mal auf ein Gespräch mit Mario konzentrieren, ohne, dass Holger in seine Gedanken eindrang? Es war doch echt zum Verrücktwerden.
"Aber sonst alles klar bei dir? Außer die Sorgen, die du dir um Emilia machst?", Philipp öffnete wieder seine Augen und lächelte Mario an.

Der Kapitän ließ sich etwas tiefer in den Sitz gleiten und streckte seine Beine aus. Die Arme verschränkte er hinter dem Kopf und er schloss kurz die Augen. Mario wurde leicht panisch. "Phil, was ist los mit dir? Du hast so einen komischen Gesichtsausdruck, kannst dich nicht auf unser Gespräch konzentrieren und wirkst so unruhig. Das liegt nicht nur an deiner Sorge ums Team oder? Außerdem gibts doch hier keinen ohne Probleme oder?" Er lächelte den Münchener an. Irgendwas war hier im Busch. Mit der Frage wollte er nur von sich ablenken. Das durchschaute selbst Mario. "Und lenk nicht ab Capitano." Er grinste. Er wollte Philipp wirklich zu nichts drängen, aber vielleicht brachte auch er mal wen zum reden.

"Hm?", Philipp sah auf. "Ich mache es mir nur bequem", grinste er. "Wird mir doch auch mal erlaubt sein, oder?", jetzt lachte er kurz auf und scherzte: "Ich drifte im Moment hin und wieder etwas ab mit meinen Gedanken, aber hält sich alles noch in Grenzen, keine Sorge, ich nehme auch noch geistlich an diesem Gespräch teil."
Dann musterte er Mario. "Und wer lenkt jetzt ab?"

Philipp grinste. Er wollte wohl nichts sagen. "Na gut, wer nicht will, der hat schon... Vielleicht bin ich auch nicht der richtige Ansprechpartner." Dann wollte Philipp aber mit dem Röntgenblick schon wieder irgendwelche Infos aus ihm rausquetschen. Das passte ihm dann aber auch nicht. "Ich lenke nicht ab. Bei mir ist doch alles gut, sagte ich doch schon." Mario wusste auch nicht, warum er so zickig wurde. War irgendwie nicht so sein Tag.

"Okay, okay, sorry, wenn ich dir zu nahe getreten bin." Philipp lächelte Mario entschuldigend an. Irgendwie war ihm das etwas suspekt, aber gut, wenn er nichts sagen wollte, dann wollte er ihn auch nicht zwingen. Der Jüngere würde schon mit ihm sprechen, wenn ihm danach wäre.
Philipp wusste nicht, was er sonst fragen sollte. Einerseits war ihm nach Gesellschaft, andererseits aber auch nicht. Es war seltsam. Er warf einen Blick auf die Uhr.
"Irgendwie geht die Zeit heute nicht um, habe ich Gefühl... immer noch so viel Zeit bis es Essen gibt." Es war nicht so, dass er Hunger hatte, aber das fiel ihm irgendwie auf. Die Zeit kroch nur so daher. Schon komisch.

Mario schlug die Hände vor sein Gesicht. "Kacke ey, ich mach mir heute auch nur Feinde. Dabei will ich das gar nicht. Ich weiß einfach nicht, was mit mir los ist..." Dann berappelte er sich aber wieder. Vielleicht hatte er es nicht besser verdient. Irgendwann war Marco der Einzige, der ihn noch ertragen wollte. Vielleicht sollte er besser nach Hause fahren. Philipp schaute auf die Uhr. Wie sollte er das denn jetzt verstehen? "Stimmt, heute zieht sich wirklich alles. Ich will endlich, dass Abend ist und ich ins Bett kann. Morgen kann es nur noch besser werden." Er wechselte noch einmal die Position und setzte sich halb auf seine Füße. Er fühlte sich irgendwie unwohl.

Philipp runzelte die Stirn. Mario benahm sich merkwürdig. Philipp gab seine Position auf. Seine Arme lagen jetzt auf seinen Oberschenkeln, die angewinkelte waren.
"Mario... alles okay? Ich kann dir nicht ganz folgen...", er runzelte erneut die Stirn. Spielten jetzt hier alle verrückt, oder wie? Es gefiel ihm nicht, was mit Mario los war. Aber reden wollte er ja wohl auch nicht. Irgendwie passte das Philipp nicht, aber gut, er konnte und wollte niemanden zwingen mit ihm zu reden. "Ist wirklich alles okay?" Die Aussage, dass er endlich ins Bett wollte, gefiel ihm noch weniger als alles andere. "Mario, ich hab das Gefühl, dass dich irgendwas belastet. Du musst nicht mit mir sprechen, aber vertrau dich irgendwem an. Marco oder so. Und klär das. Danach geht es dir sicher besser." Aufmunternd lächelte Philipp ihn jetzt an.

SMS an mein Fipsilein:

Ich weiß zwar nicht was du mir mit diesem -es tut-mir-leid- eigentlich sagen wolltest, aber anhand deines Gesichtsausdrucks kann ich es mir ja zusammenreimen. Wieso hast du es überhaupt so weit kommen lassen?
Ich hab jedenfalls keine Lust als Ablenkung zu dienen, weil es in deiner Ehe nicht gut läuft. Nimm einfach Manus Angebot mit dem Dreier an und mach dir mit den beiden eine schöne Zeit.

Mario schien einen Moment nachzudenken. Als Philipps Handy vibrierte, zog er es aus seiner Tasche. Sofort schlug sein Herz schneller und er fühlte ein seltsamen Gefühl in sich drin. Eine SMS von Holger! Philipp war angespannt, als er die SMS öffnete und sofort entglitten ihm sämtliche Gesichtszüge. In ihm verkrampfte sich alles. Er presste seine Lippen aufeinander. Scheiße!
Sein Blick fiel auf den nachdenklich wirkenden Mario. Er versuchte zumindest sein Gesicht wieder zu entspannen. Das war aber alles andere als einfach. Die Tränen wollten aufkommen. Er hatte Holger enttäuscht. Er hatte ihm wehgetan. Seinem Holger! Seinem Schatz!
Er las die SMS wieder und immer wieder. Jedes Mal stiegen ihm die Tränen neu in die Augen. Philipp schloss kurz die Augen und atmete tief durch.
Dann tippte er seine Antwort:
Das meinst du nicht ernst, oder? Verdammt, Holger! Was denkst du von mir? Ich benutze dich nicht als Ablenkung! Ich weiß zwar nicht, was das zwischen uns ist, aber hätte Claudia nicht angerufen, hätte ich nicht einen Gedanken an sie verschwendet, sondern einfach nur die Zeit mir dir genossen!
Philipp legte den Kopf in den Nacken. Er stand auf.
"Bin sofort wieder da", murmelte er Mario zu und entfernte sich ein paar Schritte. Er stellte sich in eine Ecke hinter eine große Pflanze und verbarg seine Augen zusätzlich mit seinen Hand. Es fiel ihm schwer seine Tränen zurück zuhalten, aber er schaffte es. Er fühlte sich plötzlich so schlecht. Er hatte Holger vor den Kopf gestoßen. Das war doch nie sein Ziel gewesen. Im Gegenteil! Er war es doch, der ihm am meisten Halt gab! Er setzte die SMS fort:
Es tut mir leid, wenn ich dir das Gefühl vermittelt habe, dass es so ist, aber das ist es nicht! Ich habe das gesagt, weil es mir leid tat, dass ich gegangen bin. Ich konnte nicht da weitermachen, wo wir aufgehört haben, wegen Claudia. Holger, lass uns nach dem Essen darüber reden! Oder vorher noch. Aber lass es mich bitte erklären.
Er schluckte schwer. Er wollte noch mehr schreiben. Aber er konnte nicht alles, was ihm durch den Kopf ging abtippen. Es wäre zu viel.
"Scheiße", er lehnte seinen Kopf an die Wand. Am liebsten würde er dagegen schlagen und schreien. Stattdessen musste er seine Tränen herunter schlucken. Er atmete tief durch und fuhr sich mit seinen Händen über das Gesicht.
Erneut atmete er tief durch. Philipp öffnete in seinem Handy die Kamera und stellte es so sein, dass er sich im Display sehen konnte. Na ja... gut sah er nicht aus, aber wenigstens waren seine Augen nicht rot, was er erwartet hatte.
Eigentlich wollte er nicht zurück zu Mario, er wollte Holger suchen. Aber er konnte ihn auch schlecht da sitzen lassen und abhauen. Außerdem wusste er gar nicht, ob Holger überhaupt mit ihm reden wollte.
Er ging also zurück. "Sorry, ich musste da gerade was klären", erklärte er. "Aber du hattest ja jetzt Zeit zum Nachdenken. Willst du drüber reden, oder nicht?" Philipp setzte ein ehrliches, freundschaftliches Lächeln auf. Er versuchte sich auf Mario zu konzentrieren. Sein Herz schlug immer noch feste in seiner Brust. Er hatte fast schon Angst vor Holgers Antwort.

Scheiße, was war hier nur los. Das war doch alles nicht mehr normal.
Er musste nachdenken. Nachdenken, was er Philipp verraten durfte. Was er Philipp verraten konnte. In seinem Kopf schwirrte es nur so. Er wusste nicht mehr wo oben und wo unten war. Er stöhnte. "Philipp, nichts ist ok. Mich kann heute niemand ertragen. Ich weiß auch nicht was mit mir los ist. Ich habe mit Marco gesprochen. Das hat mir schon geholfen. Ich muss die Sache einfach vergessen und hoffen, dass nichts passiert. Ich würde es dir sogar sagen, aber ich... KANN das einfach nicht..." Er schüttelte traurig den Kopf. Nachdem Philipp die SMS gelesen hatte, schien aber auch mit ihm irgendwas nicht in Ordnung zu sein. Irgendwie war er komisch und ein bisschen unruhig, was sonst gar nicht seine Art war. Trotzdem lächelte er immerzu. Vielleicht bildete er sich auch einfach Quark ein. Schloss von sich auf andere und dachte, dass jetzt alle irgendwelche Probleme zu haben schienen. Er fragte aber dennoch langsam. "Alles gut bei dir Phil?" Er lächelte seinen Kapitän an. Unruhig rutschte er auf seinem Sessel rum. Eigentlich wollte er nur ein bisschen Abwechslung und nicht Probleme wälzen. Konnte man hier auch nicht einmal über was anderes nachdenken?

"Hey", Philipp beugte sich nach vorne und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. "Alles okay. Du musst es mir nicht sagen, wenn du es nicht willst oder nicht kannst. Aber mach dich nicht fertig. Ich glaube nicht, dass dich heute niemand ertragen kann. Was mache ich denn gerade?", er lächelte Mario an. Philipp wusste nicht woher diese Selbstzweifel kamen, aber er musste sie ablegen. Sie standen ihm nicht, sie passten nicht zu ihm und vor allem brauchte er sie doch auch nicht.
"Wenn du glaubst, es ist das beste, wenn du die Sache vergisst, dann tu das. Aber um sie zu vergessen, musst du damit klarkommen. Hast du einen Fehler gemacht? Hat es mit einem der anderen Spieler zu tun? Dann geh hin und entschuldige dich oder kläre das anders. Du musst selber einen inneren Frieden mit dir finden. Sonst kannst du die Sache auch nicht vergessen, weil immer die Angst da ist, das doch irgendwas passiert, es jemand mitbekommen hat, dich nochmal jemand drauf anspricht oder so etwas in der Art."
Er legte eine Pause ein. Irgendwie erinnerte Philipp das etwas an die Situation mit Holger im Wald, als dieser ihm den Kuss mit Sarah nicht erzählen wollte.
"Vielleicht hab ich gut reden, ich weiß. Das meiste ist auch leichter gesagt, als getan, aber ich nehme mir jetzt einfach mal raus, dass ich von Erfahrung sprechen kann", er grinste etwas. "Ich verlange nicht, dass du mit mir darüber sprichst - das kann ich nicht und das will ich auch nicht. Aber ich rate dir, dass du das klärst. Am besten heute Abend noch. Dann kannst du in Ruhe schlafen und bist morgen wieder fit. Den heutigen Tag stempelst du dann als scheiße ab und fertig."
Er ließ seine Worte etwas wirken und nahm seine Hand wieder weg. "Bei mir alles okay, keine Sorge", schob er dann noch hinterher. Wieder eine glatte Lüge. Aber das war ihm gerade egal. Er konnte und wollte Mario nicht davon erzählen. Niemanden konnte er das erzählen. Was Holger wohl antworten würde?

Philipps Hand auf seiner Schulter fühlte sich wieder sehr gut an. Irgendwie war er süchtig nach Berührungen. Woher das kam, fragte er sich manchmal. Aber er hatte diese Berührungen schon immer geliebt. Zunächst von seiner Mama und seinen Eltern. Von seinen Brüdern. Dann von Marco. Das brauchte er mehr als diesen anderen Scheiß, was er machte. Er schaute Philipp in die Augen: "Ja, ich habe einen schlimmen Fehler gemacht. Und ja, es hat mit einem anderen Spieler zu tun. Ich habe mich entschuldigt, aber er wollte davon nichts wissen." Philipp grinste, als er von Erfahrungen sprach. Gut, damit kannte sich Philipp wohl aus. Mehr als er auf jeden Fall. Vielleicht musste er einfach noch einmal mit Jule reden. Er wollte das nicht so einfach stehen lassen. Er war kein Schläger und seine Mannschaft war immer das Wichtigste für ihn. Auch Julian und die Schalker. Er musste so viel noch klären. Erst die Sache mit Emilia. Wie es ihr wohl ging. Aber danach musste er zu Julian. Und zwar ohne Benni. Ob das ging war fraglich, aber probieren musste er es. Dann schaute er noch einmal zu Philipp. "Danke Phil. Danke dafür, dass du für uns alle da bist. Ich in meinen jungen Jahren habe noch keinen besseren Kapitän gehabt. Und versprich mir bitte eins: Wenn du einmal irgendwas hast. Geh zu irgendwem. Manu oder Thomas oder Holger. Die können nämlich auch für dich da sein. Du brauchst dich nicht verstecken, denn auch dir kann es mal schlecht gehen." Dann brach er den Blickkontakt ab.

SMS an Fipsi

Nein, Phil. Ich will nicht drüber reden, ich möchte nie wieder auch nur ein Detail darüber verlieren. Wir hätten nie so weit gehen dürfen.
Eigentlich dachte ich, dass unsere Freundschaft etwas Besonderes ist, aber da haben wir uns wohl getäuscht. Da wir die Zeit nicht zurückdrehen können, müssen wir versuchen uns mit der Situation zu arrangieren.
Das beste ist, wenn wir uns erstmal aus dem Weg gehen.

Dort setzte er sich in einen der bequemen Sessel und ließ seinen Blick ein bisschen schweifen. Dabei fiel sein Blick auf Philipp und Mario, die in ein ernstes Gespräch vertieft zu sein schienen, weswegen er besonders Philipp nur ein herzliches Lächeln zuwarf, sie sonst aber in Ruhe ließ.

Auch weil er noch ein bisschen an dem Gespräch mit Holger zu knabbern hatte. Denn dieser hatte zwar einerseits sehr interessiert und freundlich gewirkt, andererseits war er aber besonders nach dem Erhalt einer SMS plötzlich sehr abwesend gewesen und es hatte fast den Anschein, als würde er wieder total dichtmachen.

Dies missfiel Rico sehr, der Holger eben trotz des schlechten Starts und seiner gewöhnungsbedürftigen Art irgendwie ins Herz geschlossen hatte. Daher entschied er sich doch noch mal bei ihm vorbei zu schauen und zu fragen, ob er nicht irgendwie für ihn da sein konnte.

tbc Hotelzimmer Holger

Es lag ihm die Frage auf der Zunge, was für ein schlimmer Fehler, aber er hakte nicht nach. "Versuch noch mal mit ihm zu reden. In Ruhe. Er wird dir zuhören, wenn er vernünftig ist. Aber manchmal braucht man selber erst seine Zeit, bevor man jemandem zuhören kann und dann verzeihen kann."
Mehr konnte er Mario im Moment nicht helfen. Er musste jetzt selber zusehen, dass er die Sache geregelt bekam. Würde er Philipp noch mal aufsuchen, würde dieser aber bestimmt nicht die Tür verschließen.
Marios nächste Worte ließen Philipp erst etwas überrascht sein, aber dann lächelte er.
"Danke Phil. Danke dafür, dass du für uns alle da bist. Ich in meinen jungen Jahren habe noch keinen besseren Kapitän gehabt. Und versprich mir bitte eins: Wenn du einmal irgendwas hast. Geh zu irgendwem. Manu oder Thomas oder Holger. Die können nämlich auch für dich da sein. Du brauchst dich nicht verstecken, denn auch dir kann es mal schlecht gehen."
Er konnte gar nicht anders als zu lächeln, auch, wenn ihm gar nicht danach war. "Danke, Mario. Das bedeutet mir echt viel. Und ich werde schon mit jemandem reden, wenn es mir nicht gut geht, keine Sorge."
Wieso sagten ihm das eigentlich alle immer? Er sollte mit jemandem reden. Auch ihm dürfte es schlecht gehen. Es konnte nicht immer stark sein.
War ihm das so anzusehen? Dass er jemanden brauchte? Oder dass er stark sein wollte? Philipp lehnte sich zurück, legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke. Mario schwieg, er war wohl in Gedanken. Aber auch Philipp hatte das Gefühl, dass vorerst alles gesagt war.
Er bemerkte gar nicht, dass Rico kurz in der Lounge vorbei sah. So vertieft war er in seine Gedanken.
Sein Handy vibrierte. Sein Herz schlug schneller. Beinahe schon ängstlich zog er das Smartphone aus seiner Hosentasche und öffnete die SMS. Von Holger, wie erwartet. Den Inhalt wiederum hatte er nicht erwartet.
Wieder verkrampfte sich alles in ihm. Schlimmer als bei der anderen SMS. "Ich muss mal eben telefonieren gehen", meinte Philipp zu Mario. Dieser nickte nur. Philipp konnte nicht einordnen, ob er überhaupt zuhörte.
Der Kapitän entfernte sich. Mario sollte seine Mimik nicht sehen, während er die SMS beantwortete. Er wusste gar nicht, was er schreiben sollte. Er tippte einfach mal drauf los.
Du spinnst doch, oder? Das meinst du nicht ernst! Holger, bitte... glaubst du, ich denke nicht, dass unsere Freundschaft was besonderes ist? Und ja, ich denke es immer noch! Ich hab eigentlich gehofft, du hättest inzwischen verstanden, dass man manche Probleme nur mit reden aus der Welt schafft, aber bitte! Hau ab! Verkriech dich in deinem scheiß Schneckenhaus! Ich lasse dich in Ruhe und rede nur das Nötigste mit dir! Wenn es dir dann besser geht! Hauptsache der große Holger Badstuber muss seine Klappe nicht aufmachen und über seine Probleme reden! Lieber frisst er alles in sich hinein und verletzt damit sein Umfeld! Wunder dich nicht, wenn du irgendwann alleine dastehst! Da kommt doch keiner mit klar! Du bist so ein Idiot!
Ohne die SMS noch mal zu lesen, schickte er sie ab. Philipp stand wieder in der Ecke hinter der Pflanze. Er lehnte sich an die Wand, hatte die Augen geschlossen. Was hatte er da eigentlich geschrieben? War egal. Holger wollte ja eh nicht mehr mit ihm reden. Bitte, sollte er doch hingehen, wo der Pfeffer wuchs!
Manuel hing nur bei Thomas rum, Holger wollte nichts mehr von ihm wissen und Claudia beschäftigte sich nur Julian. Super. Sollten doch alle gehen. Er kam auch wunderbar alleine zurecht.
Zumindest redete er sich das ein.

Philipp könnte heulen! Warum? Warum musste alles schief gehen im Moment? Wenn das so weiter ginge, würden sie auch kein Weltmeister werden. Dann war alles noch beschissener. Warum nicht? Los, Schicksal, hau noch mal drauf. War doch nur Philipp, der alles ertragen musste. War ja nicht so schon schwer genug.
Langsam rief er sich in Erinnerung, was er da eigentlich geschrieben hatte. Philipp öffnete die SMS und las den Text. Was hatte er da Holger an den Kopf geworfen? Er wollte doch nicht, dass er abhaute. Im Gegenteil! Er wollte ihn bei sich haben.
Ungeschickt fuhr Philipp sich über seine Augen. Super, jetzt heulte er wirklich. Er schniefte leise. Er wollte nicht in der Ecke stehen und heulen wie ein Schlosshund, aber was sollte er denn tun? Er fühlte sich mit einem mal so alleine. Er wollte nicht auch noch Holger verlieren. Nicht seinen Holger…
Er begann eine weitere SMS.
Tut mir leid. Ich hab das nicht so gemeint. Aber mich hat deine letzte SMS verletzt. Bitte rede mit mir, Holger. Ich will nicht, dass es so zwischen uns endet. Und du doch auch nicht. Das kannst du mir nicht erzählen. Schatz, ich brauche dich. Ich will dich doch nicht verlieren… nicht dich auch noch.
Sein Kopf schlug sanft gegen die Wand, als er ihn nach hinten fallen ließ. Was war das eigentlich? Was veranstalteten sie hier? Er wollte endlich wissen, was das zwischen ihnen war, was ihnen so große Probleme bereitete. Philipp hatte zwar auch Angst davor, aber… ach, er wusste doch selber nicht, was das Beste war.
Er ließ die SMS wie sie war und schickte sie weg. Seine anderen Gedanken und Gefühle konnte er gerade nicht vernünftig formulieren. Hoffentlich antwortete Holger ihm darauf.

SMS an Fipsi

Es ist alles gesagt. Mir tuts übrigens auch leid, dass ich dir meine Probleme anvertraut habe, die du jetzt dazu benutzt um mir schön eins reinzuwürgen. Was kommt als nächstes? Gehst du zu Basti und erzählst ihm wo ich eine Nacht verbracht hab?
Lass es einfach, Phil, und spar dir den Atem um dein Problem mit Claudia in den Griff zu bekommen.
Außerdem kann man doch mit so einem Idioten, der seine Klappe nicht aufbekommt, nicht reden.

Mit zittrigen Händen öffnete Philipp die SMS. Sie war ein Schlag ins Gesicht. Er presste seine Lippen aufeinander. Wenn er nur wüsste, wo der Kerl war, er würde sofort hinlaufen. Er wollte ihn in den Arm nehmen, von ihm in den Arm genommen, ihn küssen und einfach nur bei ihm sein.
Langsam ließ sich Philipp an der Wand heruntergleiten. Jetzt sah ihn wohl niemand mehr hinter dieser großen Pflanze. War auch besser so.
Mit der einen Hand hielt Philipp das Handy, die andere verbarg seine Augen. Stumm weinte er bitterliche Tränen. Er konnte nur hoffen, dass jetzt niemand vorbei kam und Mario nicht nach ihm sehen würde.
"Scheiße, ey." Philipp hasste sich selber. Warum hatte er nicht nachdenken können, bevor er Holger diese Sachen an den Kopf geworfen hatte.
Zum wiederholten Male wischte er sich über die Augen, damit er klar sehen konnte und tippte eine Antwort.
Red doch nicht so einen Mist. Was soll ich bei Basti? Du weißt doch genau, dass ich das niemals tun würde. Wenn ich jetzt wählen müsste, ob ich jetzt die Sache mit dir oder mit Claudia klären will, würde ich dich wählen, du Idiot!
Und das war die Wahrheit. Philipp wollte gerade nichts mehr außer die Sache mit Holger klären. Wo hatten sie sich denn da eigentlich hochgeschaukelt? Was sollte der Mist? Philipp verstand es nicht. Er zog seine Knie an, bettete den Kopf darauf und wartete auf eine Antwort von Holger.

Nachdem Mario über Philipps Worte nachgedacht hatte, war dieser plötzlich verschwunden. Verwundert über seine geistige Abwesenheit, schaute er sich im Raum um, fand Philipp aber nirgends. Irgendwie war dies ein komisches Gespräch gewesen. Er wollte nichts sagen und Philipp schien auch irgendein Problem zu haben. Nach einer ganzen Weile machte Mario sich aber doch Sorgen. Er wollte nur mal schnell telefonieren, aber Philipp kam einfach nicht wieder. Mario stand auf und tiegerte durch den Raum. Er kam sich ein wenig blöd vor, da er nicht glaubte Philipp würde sich verstecken. Na gut, dann ging er eben wieder, wenn Philipp nicht wiederkommen würde. Er machte sich schon auf den Weg, als er plötzlich ein Schluchzen hörte. Irritiert schaute er nach. Wer sollte denn hier heulen?
Da fand er plötzlich einen völlig aufgelösten Philipp an der Wand sitzen, der wie durch den Wind auf sein Handy starrte. Geschockt lief er auf ihn zu und zog ihn in eine Umarmung. "He Phil, alles wird gut", murmelte er gegen seinen Rücken.

Philipp zuckte merklich zusammen, als sich plötzlich zwei Arme um ihn schlangen. Mario? Na, das hatte ja super geklappt mit dem nicht entdeckt werden.
"He Phil, alles wird gut."
Ja, sicher. Am liebsten hätte Philipp höhnisch geschnaubt, aber er ließ es bleiben. Stattdessen ließ er die Berührung zu. Er musste zugeben, dass ihn das etwas beruhigte. Langsam versiegte seine Tränenquelle. Sein Handy blieb stumm. Was sollte Holger auch schon schreiben? Vermutlich wusste er nicht mehr, was er Philipp entgegen schleudern sollte.
Würde lustig werden, wenn sie sich gleich beim Abendessen treffen würden. Philipp wagte einen Blick auf die Uhr. Viel Zeit war nicht mehr, aber so, wie er jetzt mit Sicherheit aussah, konnte er schlecht zum Essen gehen.
Vorsichtig drückte Philipp Mario etwas weg und lächelte ihn entschuldigend an. "Danke." Er rappelte sich auf. "Ich sollte mich mal frisch machen gehen", mit den Worten verschwand er zu den nahegelegenen Toiletten. Zum Glück war diese leer.
Immer wieder spritzte er sich Wasser ins Gesicht und fuhr über seine Augen. Er sah scheußlich aus. Total rot im Gesicht. Philipp stützte die Hände an den Rand und schaute in den Spiegel. Wieder musste Wasser her. Dann trocknete er sich ab und als er wieder einigermaßen ansehnlich aussah, ging er zurück in die Lounge zu Mario.
"Sorry", er grinste entschuldigend. Wusste nicht, was er sonst sagen sollte.

Mario merkte, dass Phil die Berührung gut getan hatte. Für einen kurzen Moment hatte er wohl vergessen, wer da bei ihm war und die Kapitänsbürde abgegeben. Mario lächelte ihn an, das war wohl die beste Tat des Tages gewesen. "Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist alles gut Phil. Aber lass es raus und versteck dich nicht. Dann kann dir nämlich niemand helfen. Und jetzt lass uns zum essen gehen!" Auffordernd schaute er den Älteren an. Als dieser nickte, zog Mario ihn in Richtung Speisesaal. Er hatte aber auch einen riesen Hunger, seidem am Mittag der ganze Stress mit Libby gewesen war.

tbc: Speisesaal

In der Lounge angekommen suchte er sich den abgelegensten Platz, den er finden konnte. Dort legte er seine Sachen ab und verschlang zunächst einmal hungrig sein Hörnchen mit Schokoaufstrich. Dann widmete er sich eine ganze Weile lang dem Konzept für den Team-Day, das er Jogi in einem Brief unter der Tür durchschieben wollte.

Als er damit fertig war, besorgte er sich schnell einen Umschlag an der Rezeption, steckte den Brief hinein, klebte ihn sorgfältig zu und schrieb in seiner klaren Handschrift, die der von René so sehr ähnelte "Für Jogi" darauf.

Dann trank er noch schnell seinen Kaffee auf und machte sich auf den Weg zu Jogis Zimmer.

tbc Hotelzimmer Joachim Löw

Zurück in der Lounge und an seinem alten Platz, ließ sich Rico zunächst einmal erleichtert auf den bequemen Sessel fallen und atmete einmal tief ein, und aus. Dann schnappte er sich das Ipad und schaute nach, ob Sunny sich wieder erwarten noch mal gemeldet hatte. Doch wie schon fast erwartet, befand sich keine Nachricht von ihr in seinem Posteingang.

Einerseits war er erleichtert darüber, denn keine neue Mail bedeutete auch gleichzeitig, dass es keine neuen Vorwürfe gab. Anderseits hatte er irgendwie doch noch die stille Hoffnung gehabt, dass ihr ihre Worte vom Vortag leid taten und sie noch einmal das Gespräch mit ihm suchen würde. Darin hatte er sich jedoch augenscheinlich getäuscht und daher beschloss er sich langsam damit abzufinden, dass er seine große Liebe wohl endgültig verloren hatte.

Und so schloss er das Mailprogramm, nahm sich sein Plakat zur Hand und malte noch ein bisschen daran rum.

Er sah Rico in der Ecke sitzen und ging schnell auf ihn zu. "Guten Morgen!" grüßte er freundlich und setzte sich zu ihm und fing gleich an sich über sein Frühstück her zu machen. Irgendwie hatte er wirklich Hunger.
"Danke das du mich schlafen lassen hast. Ich muss zugeben, das hat wirklich gut getan auch wenn ich jetzt das Frühstück verpasst habe. Hast du denn halbwegs schlafen können?" Fragend sah er Rico an. Er selbst hatte wirklich einen ziemlich tiefen Schlaf und bekam daher nicht so mit, was um ihn herum passierte. Ulli stand auch öfter Nachts mal auf, wenn sie nicht schlafen konnte und bekam sowas einfach nicht mit. Dafür schnarchte er aber auch nicht und das war ja auch einiges wert...