Teampsychologe

Julians Worte waren hart. Eindeutig. Aber sie verfehlten ihr Ziel nicht. Benedikt war sichtlich geschockt. Für einen Moment fragte Hans-Dieter sich, ob das richtig war, was er da verlangt hatte, aber eigentlich brauchte er sich die Frage nicht stellen. Er wusste, dass es richtig war.
"Danke, Julian, das war toll." Hans-Dieter lächelte ihm kurz zu, dann wandte er sich zu Benedikt. "Julian war oder er ist der wichtigste Mensch in deinem Leben, Benedikt?"
Er ließ die Frage wirken, ehe er weiter sprach.
"Trink einen Schluck, Benedikt, das wird dir gut tun", befahlt Hans-Dieter sanft. "Siehst du jetzt, was ich meinte? Wegen diesen Gefühlen hat Julian geweint und deswegen hast du gestoppt. Dein Verhalten, was dazu geführt hat, dass Julian sich so gefühlt hat, findest du abartig. Du wirst es nicht wiederholen. Du willst dich selber nicht mehr als abartig empfinden und du willst Julian nie wieder so wehtun können. Julian hat dir gerade bewusst gemacht, wie viel du eigentlich für ihn fühlst, oder? Dass du es nicht ertragen könntest, wenn er dich noch mal so erlebt... du hast Angst davor, dass es noch mal passiert, das ist normal. Aber ruf dir mal vor Augen, wie groß diese Angst ist. Bist du sicher, dass du sie überwinden kannst und das noch mal tun kannst?"
Er machte eine Pause. Seine Stimme war ruhig und einfühlsam. Hans-Dieter wusste, dass er Benedikt erreichte, er wusste aber nicht, ob nur unbewusst oder auch bewusst. Seine Reaktion würde das zeigen.

Julian bereute seine Worte, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. Es tat ihm weh zu sehen, wie sehr er Benni damit verletzte. Dr. Hermanns Lächeln konnte er auch nur gequält erwidern. Er hatte das toll gemacht? Wie konnte das toll sein, wenn Benni so darunter litt? Es war nicht toll. Es war... schrecklich. Er hatte Benni unglaublich weh getan. Aber so hatte er in dem Moment empfunden.
"Ich liebe dich, Benni...", flüsterte er ihm dann zu. "Aber in dem Moment warst du so anders... Und das hat mir so Angst gemacht."

Benni nickte.
"Ich... mir macht das auch Angst", flüsterte er.
Er tastete zögerlich nach Julians Hand, griff danach. Brav gehorchte er dem sanftes Befehl ihres Teampsychologen und er schenkte sich ein Glas Wasser ein, trank einen Schluck.
Seine Worte klangen so plausibel. Und er hatte Recht.
"Ich..." fing er an, brach dann ab.
Er schluckte, dann schüttelte er zaghaft den Kopf.
Er glaubte nicht daran, dass er diese Angst je überwinden könnte. Die Angst, Julian zu verletzen, ihn ernsthaft zu verletzen, saß viel zu tief. Und gleichzeitig war sie so riesig. Er wollte Julian nur noch lachend sehen, glücklich und zufrieden. Er sollte nicht leiden, niemals und auf keinen Fall.
"Ich glaub nicht", gab er zu. "Aber ich hab trotzdem Angst davor... was, wenn wieder so eine Situation kommt? Dann bin ich vielleicht wieder.... so!"

Hans-Dieter sah Julian an, dass dieser sich alles andere als wohl fühlte. Er gab sich sicher die Schuld daran, dass Benedikt gerade so fertig war. "Julian, gib dir nicht die Schuld dafür, dass Benedikt gerade leidet. Gib sie mir, wenn du willst, aber nicht dir. Das muss jetzt sein."
Dann wandte er sich an beide: "Warum sollte so eine Situation wiederkommen? Ihr habt doch beide gelernt aus dem ganzen oder nicht? Habt ihr nicht beide verstanden, dass ihr euch braucht und liebt und dass ihr dem anderen nicht wehtun wollt? Zu so einer Situation gehören immer zwei. Ich glaube nicht, dass ihr beide so dumm sein werdet und dafür sorgt, dass sich die Situation wiederholt, meint ihr nicht auch?"
Inzwischen war Hans-Dieter sich sicher, dass es das Beste war, dass Julian ebenfalls mit in diesem Raum war. Er sah beiden an, wie sehr sie für einander empfanden und Hans-Dieter selber empfand großen Respekt und Anerkennung für den jüngeren der beiden Schalker. Es war alles andere als selbstverständlich, dass Julian hier war. Es wäre nur zu verständlich gewesen, wenn er sich lieber ganz von Benedikt abgewandt hätte. Aber er war hier.

Er gab sich aber die Schuld. Es war ja auch seine Schuld, dass es so weit gekommen war. Diese Schuld konnte ihm auch niemand nehmen. Er musste nur irgendwie damit leben. Benni hatte ihm ja verziehen. Darauf mussten sie aufbauen. Vielleicht konnte er es sich selbst dann auch mal verzeihen. So wie Benni sich verzeihen musste, hatte er dieselbe Aufgabe.
"Ich will nicht, dass so etwas wieder passiert", meinte Julian, verschränkte seine Finger mit Bennis und sah ihn ernst an. "Und ich tu auch alles, dass es nie wieder so sein wird."

Benni griff nach seiner Hand, erwiderte den Druck von Julians Fingern und sah ihn an, lächelte schwach.
"Ich will auch nicht, dass das wieder passiert", flüsterte er, sah Julian fest in die Augen. Er war sich sicher, dass man in ihnen sehen konnte, wieviel Angst er vor sich selbst hatte.
Aber egal wie, er vertraute Julian, dass er ihn unterstützen würde, dass er für ihn da war.
"Und ich will, dass wir das schaffen. Ich will dir nie wieder wegen irgendwas wehtun. Das ist schon viel zu oft passiert."
Er wusste wie sehr er Julian dankbar sein konnte, dass er trotz allem, was passiert war, noch hier war.
Und er wollte alles dafür tun, damit Julian nicht darunter litt, dass er bei ihm war.

"Wir schaffen das auch", gab sich Julian optimistisch. Es war gerade nicht schwer,in Benni zu lesen. Es tat ihm alles leid und er hatte Angst, das wieder zu tun. Diese Angst würde er nicht überwinden können. Und er würde ihm auch nichts mehr tun. Es war eine einmalige Sache gewesen. Nur ein Ausrutscher.
Julians Blick fiel auf die Uhr.
"Ich hätte dann Training", seufzte er. Aber er konnte ja hier schlecht weg. Aber wenn der Doc ihn entschuldigte... Er würde das dann schon nachholen, wenn er nicht weg konnte. "Krieg ich da ein Attest oder so, wenn ich zu spät komme?"

Benni lächelte und war wirklich froh, dass er Julian hatte.
Einem plötzlichen Impuls folgend beugte er sich vor und küsste ihn zärtlich und sanft auf die Lippen, ließ dann seine Hand los.
"Geh zum Training, ich schaff das hier auch so, glaub ich", meinte er optimistisch.
Irgendwie schaffte es Julian immer wieder, genau die richtigen Worte, um ihn aufzubauen, zu finden.

"Okay, dann geh ich mal", meinte Julian, streichelte nochmal über Bennis Arm und stand dann auf, verabschiedete sich auch von Dr. Hermann. Die Sitzungen hier sollten ja nicht das Training beeinflussen. Also ging er eben.

tbc: Lobby

Hans-Dieter verabschiedete sich von Julian und sah ihm kurz hinterher, ehe sein Blick wieder Benedikt galt. Eigentlich hatte er ja vor, ihm zu sagen, er solle bleiben, aber da die Aufforderung zu gehen sogar von Benedikt kam, ließ er ihn ziehen. Vielleicht war das gar nicht so schlecht, wenn er mit ihm alleine sprach.
"Weißt du, Benedikt, es ist gut, dass ihr das gleiche Ziel verfolgt, dass so etwas nie wieder passieren soll. Das ist ein wichtiger Schritt, dass ihr euch da einig seid. Aber der Weg dahin liegt noch vor euch. Ich kann dir nicht sagen, ob er steinig wird oder nicht. Das werden die Sitzungen zeigen."
Hans-Dieter musterte den Schalker kurz. Irgendwie war es erstaunlich, wie gut Julian ihm tat. "Seit wann seid ihr beide schon zusammen?", fragte er ihn direkt.

Benni nickte.
Dr. Hermann hatte Recht, sie mussten an einem Strang ziehen, um das alles zu schaffen. Aber gerade war er sich sicher,dass sie das auch durchhalten würden.
Doch die Frage überraschte ihn dann doch.
Etwas verwirrt sah er auf und blickte dem Psychologen in die Augen.
"Nicht besonders lange... seit dem ersten Tag hier in Brasilien", erklärte Benni.
Es überraschte ihn selbst, dass es erst so kurze Zeit war, es kam ihm mittlerweile vor wie eine Ewigkeit. Vielleicht auch, weil so viel passiert war und sie doch schon einige üble Beziehungskrisen hinter sich hatten.

(Sorry wenn ich stör oder so )
SMS an den Doc

Hey Doc,
ich wollte mich mal erkundigen,
wann du Zeit für mich hast?
LG Manu

"Oh", entfuhr es Hans-Dieter. Damit hatte er jetzt wohl nun wirklich gerechnet. "Ich hätte eigentlich mit ein paar Monaten, wenn nicht sogar Jahren gerechnet", erklärte er seinen überraschten Ausruf. Nachdenklich sah er Benedikt an. "Ist dir bewusst, dass es etwas ganz besonderes ist, was ihr da habt? Ich bin mir sicher, dass ihr das hinbekommt. Aber es reicht nicht, wenn nur ich an dich und Julian glaube. Die menschliche Psyche trägt mehr zu der körperlichen Verfassung bei, als wir uns vorstellen können. Es kann großes bewirken, wenn ihr beide euch nur vertraut und aneinander glaubt."
Hans-Dieter war sich bewusst, dass Benedikt vermutlich dachte, dass er gut reden hatte. Aber er musste erst mal nur zuhören. Benedikt würde darüber nachdenken und das allein half schon.
"Benedikt, gibt es etwas zu der ganzen Geschichte was du eben nicht sagen konntest, als Julian hier war? Vielleicht etwas über deine Gefühle oder was du ihm antun wolltest... irgendetwas. Denk mal darüber nach. Es hilft alles raus zu lassen... du fühlst dich dann befreiter und es hilft alles in Worte zu fassen, um den Dingen einen Namen zu geben."
Lächelnd, aber auch auffordernd sah Hans-Dieter Benedikt an.

Benni musste leise lachen, als er die überraschte, fast perplexe Reaktion sah.
"Ich weiß", antwortete er ernst. "Mit Lisa hat sich das nie so... stark angefühlt. Das ist was besonderes, das weiß ich", meinte er.
Er glaubte an Julian, da war er sich ganz sicher. Julian hatte ihm nicht nur einmal klargemacht, wie sehr er ihn brauchte.
Doch genau das stieß ihm jetzt, als der Doc weitersprach, plötzlich ziemlich sauer auf.
"Ich... hab Angst, dass er sich zu sehr von mir abhängig macht", gestand Benni. "Ich mein... ich tu ihm immer wieder weh, und... auch wenn ich es nicht will, es passiert immer wieder."
Verzweifelt fuhr er sich durch die Haare.

"Was lässt dich das glauben, Benedikt? Warum sollte Julian sich zu sehr von dir abhängig machen? Gab es Situationen, die dafür gesprochen haben?"
Erstmal wollte er den Punkt geklärt haben und dann den anderen. Warum Benedikt ihm dennoch immer wieder weh tat. Aber eins nach dem anderen.

Benni schluckte.
Es behagte ihm nicht, darüber zu sprechen, aber es musste nun mal sein.
"Er... hat gesagt.... ich wollte, dass er geht, weil ich Angst hab, dass ihn das sonst kaputt macht. Und... er hat gesagt, ohne mich wird er nie wieder glücklich... mit mir aber auch nicht unbedingt."
Er seufzte tief, raufte sich erneut die Haare.
"Ich mein, ich will ihn doch nicht verletzen!"

"Benedikt, trink noch einen Schluck", bat Hans-Dieter. Es schien ihn wirklich sehr mitzunehmen und zu belasten.
"Es gibt Menschen, die können nicht mit, aber erst Recht nicht ohne einander leben. Man kann aber lernen miteinander zu leben. Oft ist das einfacher, als damit zu recht zu kommen ohne den anderen zu leben."
Er machte eine kurze Pause. "Warum hast du ihn bisher immer verletzt? Und wie? Was hast du getan?" Es klang wirklich nicht so, als wären sie erst seit kurzem zusammen. Aber ein aufregendes Leben konnte auch schön sein. Sie mussten es nur positiv gestalten und nicht negativ, wie bisher zum Teil.

Benni seufzte.
"Da ist so viel passiert", murmelte er und seufzte.
"Das... letzte war wohl das mit Lisa. Sie ist schwanger und... wir haben uns gestritten."
Er schüttelte den Kopf, raufte sich die Haare.
"Ich hab Angst... dass das alles ein einziger großer Fehler war", murmelte er. "Von Anfang an... vom ersten Tag haben wir immer wieder gestritten... hab ich ihn immer wieder verletzt."

"Erzähl mir nicht das letzte, erzähl mir das erste. Von Anfang an. Was hast du gemacht und wie hat Julian reagiert? Und wie hast du dich dabei gefühlt? Erzähl mir alles, was dir dazu einfällt. Ich möchte verstehen, warum du glaubst, dass es ein großer Fehler war."
Hans-Dieter schlug ein Blatt auf seinem Klemmbrett um. Er hatte sich die ganze Zeit viele Notizen gemacht und jetzt würden noch einige dazu kommen.

Benni seufzte.
Sollte er jetzt die ganze Geschichte erzählen?
Er wusste gar nicht, ob er alles zusammenbekam... passiert war ja eine Menge.
"Also... am ersten Tag hat Jule mir... gestanden, dass er schon länger in mich verliebt ist. Ich... hab das davor nie in Betracht gezogen, und... irgendwie war dann alles komisch und ich... ich weiß nicht, ich glaub, ich war schon länger verliebt, habs nur irgendwie verdrängt, unbewusst, keine Ahnung."
Er ließ sich in das Sofa zurücksinken, lehnte sich nach hinten, starrte mit leerem Blick an die Decke.
"Wir hatten... ein Missverständnis, und Jule hat das extrem verletzt. Und irgendwie... wir waren plötzlich zusammen, ohne dass ich je wirklich davor drüber nachgedacht hab."

Hans-Dieter musterte Benedikt besorgt. Er wusste nicht mal, was er eigentlich wollte. Eben gab Julian ihm halt und er wollte mit ihm die ganze Situation meistern, aber jetzt wirkte es so, als sei er sich da gar nicht mehr so sicher und wollte dem ganzen ein Ende bereiten, ehe es noch weiter ausartete. Aber konnte es das überhaupt noch? Benedikt hatte schon versucht sich umzubringen... was sollte das ganze toppen, wenn nicht... Hans-Dieter dachte nicht weiter.
"Willst du damit sagen, dass du an der Beziehung zweifelst? Die Beziehung, die dir vor wenigen Minuten noch so viel Kraft geben wollte? Benedikt... ich erwarte jetzt keine Entscheidung von dir, nur, wenn du mit so viel Zweifel darein gehst, können wir die Therapie nicht auf euer beider Schultern verteilen. Ich kann nicht davon ausgehen, dass du Julian im Rücken hast, der dich stützt und dir hilft, wenn du so zweifelst. Warum zweifelst du? Ist es denn falsch sich seinen Gefühlen hinzugeben und sich von ihnen überrumpeln zu lassen? Eine Beziehung einzugehen ohne groß drüber nachzudenken? Vor allem weil ihr euch doch schon so lange kennt und befreundet ward... ward ihr doch oder nicht? Du kennst Julian doch gut."

Benedikt seufzte.
Er hatte ja Recht, er sollte nicht so zweifeln. Durfte nicht, Julian hatte sich aus freien Stücken dafür entschieden, das mit ihm gemeinsam durchzuziehen.
"Nein... es ist nicht falsch... aber..."
Er vergrub das Gesicht in den Händen, seine Schultern bebten leicht.
Einfach war das wirklich nicht, sich all das einzustehen und auch noch auszusprechen kostete Mühe und eine Menge Überwindung.
"Ich will nicht daran zweifeln, aber ich kanns auch nicht abstellen."
Er sprach es aus, ohne darüber nachzudenken, aber in Nachhinein wirkte es wirklich wie das eigentliche Problem, das er hatte. Schon lang.
"Ich... weiß auch nicht, warum. Ich sollte doch... ich mein, wir waren vorher jahrelang sehr eng befreundet, und dann..."
Er schluckte.

SMS an Benni

Hey Benni, ich hab gehört, du hattest einen Unfall und liegst im Krankenhaus… wie geht es dir denn? Würde gerne mal vorbeikommen und dich besuchen, wenn ich darf alles Gute! Phil

"Kannst du deine Zweifel in Worte fassen? Kannst du beschreiben, was genau dich zweifeln lässt?"
Hans-Dieter musterte Benedikt weiter ausgiebig. Sobald er das Gefühl hatte, dass es zu viel war, würde er abbrechen. Noch war es okay. Benedikt schien zwar ziemlich fertig zu sein, aber es musste nun mal auch alles raus. Er ließ ihn erst mal reden, bevor er selber etwas dazu sagte. Er brauchte mehr Informationen, bevor er sich endgültig eine Meinung bilden konnte.

Bennni hörte sein Handy brummen, eine neue SMS, aber da würde er später nachschauen, das passte jetzt wirklich nicht.
"Ich... weiß nicht so genau", gestand Benni.
Er wusste, dass er zweifelte und er wusste, dass er es nicht durfte.
Dr. Hermann schien erst einmal möglichst viele Informationen sammeln zu wollen.
"Naja... ich will das Beste für ihn und ich seh, wie er unter dem, was ich tu leidet. Und dann ist da ja immer noch... meine Tochter."