Teampsychologe

"Ja, weiß ich", antwortete Marc. Er konnte sich zwar keinen Grund vorstellen, aus dem er das brauchen könnte, aber er bleib lieber mal höflich.
"Danke für deine Bemühungen." Das "vergeblich" hatte er sich gerade noch so verkneifen können, das käme wohl etwas blöd. Und da Didi ja jetzt schon so freundlich war und ihn gehen ließ, fiel es ihm schwer, weiter so fies zu ihm zu sein.
Besser gelaunt als vorher verließ er den Raum und sagte dann Leonardo Bescheid.
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr stellte er fest, dass es bereits Mittagszeit war, also machte er sich auf den Weg in den Speisesaal.

Tbc Speisesaal

"A-aber... Marc? Wo willst du hin?!" Er sah ihm hinterher und rappelte sich seufzend auf. Toll, hatte ja super geklappt. Traurig schlurfte er wieder in das Sprechzimmer und ließ sich dort wortlos auf den Sessel fallen.

Hans-Dieter hörte Leonardos Worte und er sah auch nicht sehr begeistert aus als er wieder reinkam.
"Ich möchte erstmal mit dir alleine reden, Leo", erklärte er ihm. "Wenn es nötig ist, hole ich Marc später wieder dazu. Aber ich sollte dir eines erklären: es macht wenig Sinn, wenn jemand gezwungen wird hier zu sein. Man kann es mit einer Therapie vergleichen. Zum Beispiel wenn jemand Alkoholsüchtig ist. Er muss dieses Problem selber sehen und selber etwas dagegen tun wollen, sonst kann kein Arzt in der Welt ihm helfen. Marc möchte auch nicht hier sein. Er wird uns vermutlich das erzählen, was wir hören wollen, aber im Endeffekt bringt es nicht. Wir beiden reden jetzt erst mal zu zweit und dann sehen wir weiter, okay? Wenn es nötig ist, hole ich Marc noch mal dazu. Das ist auch etwas anderes als wenn ihn jemand erpresst, dass er hier ist."
Hans-Dieter schenkte Leonardo ein freundliches Lächeln. "Beschreib mir mal die Gefühle, die du jetzt hast."

Leo senkte enttäuscht den Kopf und nickte leicht. "Ich wollte ihn ja gar nicht erpressen, Manu hat das einfach so gesagt... Und dann... ich wollte ihm doch nur helfen und ich dachte, wir klären das zwischen uns, damit... ich keine Angst mehr vor ihm habe", murmelte er leise und seufzte. "Ich... ich fühl mich so... klein, irgendwie. Ich habe Angst vor ihm, sobald er mir zu Nahe kommt, fange ich an zu zittern. Ich fühl mich nur noch sicher, wenn Manu in der Nähe ist. Oder bei Kevin fühle ich mich auch sicher. Und... ich verstehe einfach nicht, wieso das so eskaliert ist."

"Genau da liegt der Unterschied, Leo. Für Marc gibt es da im Prinzip nichts zu klären. Ihm war nicht bewusst, was diese Tat für dich bedeutet. Er empfindet sie auch nicht als besonders schlimm. Es war von ihm nie böse gemeint gewesen. Hier habt zwei völlig verschiedene Auffassungen davon. Es geht jetzt in erster Linie darum, dass wir dir deine Angst wieder nehmen. Es wird das beste sein, wenn Marc später noch mal dazu kommt, aber erst mal machen wir das ohne ihn."
Hans-Dieter legte eine kurze Pause ein. "Nachdem wir das letzte Mal geredet haben, bist du Marco Höger noch mal über den Weg gelaufen?"

"Nicht besonders schlimm?! Welcher Mensch drückt einen einfach auf den Boden und küsst die Person dann auf den Mund?!" Er seufzte leise. "Aber Marc braucht doch Hilfe. So kann er sich doch nicht verhalten!" Er nickte langsam und lächelte leicht. "Ja... wir haben uns in der Stadt getroffen. Und haben uns dort unterhalten. Ich glaube, beste Freunde werden wir nicht, aber ich komme mit ihm klar. Aber... Marco hat mich nur bedroht. Marc hat... er hat mich angefasst und... das ist etwas anderes, vor allem, weil ich hier mit Marc dauernd in Kontakt stehe."

"Aber hattest du nicht auch Sorge, dass du Marco nie wieder unter die Augen treten könntest? Und das hat ja auch geklappt. Ich will dir damit zeigen, dass du deine Angst besiegen kannst, auch, wenn sie jetzt noch größer erscheint als vorher." Hans-Dieter lächelte wieder.
"Natürlich ist das mit Marc etwas anderes, weil er einen Schritt weitergegangen ist. Aber du musst das mal aus seiner Sicht betrachten. Du findest es schlimm, dass er dich geküsst hat. Ich würde es auch nicht toll finden, aber Marc sah da kein Problem, da es nun mal nur 'ein harmloser Kuss' war in seinen Augen." Mit den Fingern malte Hans-Dieter die Anführungszeichen in die Luft.
"Es steht auch auf einem ganz anderen Papier, ob das nun normal ist oder nicht. Das interessiert uns beide jetzt nicht. Es ist egal, ob Marc ein Problem hat oder ob man sich so nicht verhalten kann. Fakt ist, dass er sich so verhalten hat. Ohne das Wissen um die Vorgeschichte mit Marco Höger. Marc ist aber Fußballer, genau wie du. Und alle guten Fußballer sollten eines gemeinsam haben: sie lernen aus ihren Fehlern. Und das wird er auch tun. Er weiß nun, dass er das nicht mehr machen soll, darf, kann... such dir was aus. Er wird es definitiv nicht mehr machen."
Dessen war sich Hans-Dieter sicher. Zumindest nicht bei Leonardo. Aber glaubte er ihm das? Vielleicht sollte er Marc gleich auf jeden Fall noch mal dazu holen. Gut, dass er eine Liste mit allen Handynummern hatte. Je nachdem, was Leonardo sagen würde, würde Marc gleich eine SMS von ihm bekommen.

"Ja... schon... aber ich werde sowieso nicht mehr viel mit ihm machen, Manuel wird mich von ihm fernhalten, das hat er schon gesagt", antwortete er. "Bist du dir sicher, dass er es nicht mehr machen wird? Er... er hat gesagt, er hatte so eine Art Aussetzer, was mache ich, wenn das noch einmal passiert? Ich schaff das nicht noch ein dritten Mal!" Er zog seine Beine zitternd auf den Sessel und schloss die Augen. Er würde nachher auf jeden Fall noch mit Kevin reden, damit auch dieser bescheid wusste.

Aussetzer? Hans-Dieter ließ sich seine kurze Irritation nicht anmerken. So klang es bei Marc aber nicht.
Der Psychologe sah Leonardo einen Moment an. "Ist es dir lieber, wenn Marc zurückkommt? Dann bitte ich ihn noch einmal herzukommen. Ich bin von meinen Worten überzeugt, dass das nicht noch mal vorkommen wird, aber wenn du es eher glaubst, wenn Marc das sagt, dann soll er dir das selber sagen. Alles andere hat sonst keinen Sinn."
Vielleicht wäre es wirklich das Beste.

"Na ja... er will nicht hier sein, also lass ich ihn jetzt einfach. Wenn er meint, dass ... na ja, dass das nicht noch mal passiert, glaube ich das jetzt einfach mal...", nuschelte er und seufzte. "Ich... ich halte dich auch vom Mittagessen ab, ich komm schon klar, wirklich."

"Leo, es geht gerade nicht darum, was Marc will oder was ich will. Es geht einzig und allein um dich. Willst du Marc hier haben oder nicht?"
Sein Blick war freundlich als er Leonardo ansah. "Mit einem 'Ich komm schon klar' ist das hier nicht abgetan. Du kannst mir auch nicht erzählen, dass es damit getan ist. Ich konnte dir deine Angst eben ansehen. Es ist nicht schlimm, dass wir hier sitzen und wir können gerne auch bis zum Abendessen hier sitzen. Wenn du Hunger hast, lasse ich uns was bringen, das ist kein Problem."

"Na ja... ja... schon...", murmelte er verlegen und seufzte. Marc würde ihn dafür nur noch mehr hassen. "Ich... ich hab ja auch Angst, aber das ist doch normal, oder? Ich meine, ich hatte richtige Angst, im Park... Ich hab gedacht, er... er vergewaltigt mich... Ich weiß auch nicht, was passiert wäre, wenn Manu nicht dazwischen gegangen wäre..." Er überlegte kurz, ob er es bis zum Abendessen ohne Essen aushalten konnte. "Hm... ein bisschen Hunger hab ich schon", gab er leise zu.

"Gut, dann bestelle ich erst mal was zu essen." Hans-Dieter ging zum Telefon und rief bei der Rezeption an. Er bat um etwas vom Mittagsbuffet für zwei Personen. Danach setzte er sich wieder zu Leonardo.
"Es ist ganz natürlich, dass du Angst hattest. Du wusstest nicht, was Marc machen würde und du hast die schlechte Erfahrung mit Marco Höger gemacht. Aber du hast aus der Aktion mit Höger auch gelernt, dass du keine Angst haben musst. Marc hat in der einen Situation vielleicht überreagiert und falsch gehandelt - und das hat er, da müssen wir nicht drüber diskutieren - aber er ist nicht auf den Kopf gefallen und weiß, was er in Zukunft lassen sollte. Soll ich ihm sagen, dass er noch mal herkommen soll?"
So ganz überzeugt klang Leonardo noch nicht, deswegen wollte er erneut die Bestätigung haben.

*pieps* störende SMS an Leo

Hey yo

Tut mir leid, dass ich mich nicht mehr gemeldet habe. Ich musste das mit Maya verdauen. Vielleicht können wir ja heute Nachmittag mal reden?

Mo

"Okay..." Leo wartete, geduldig, bis Didi wieder vor ihm saß. "Nein... nein, ich denke nicht, das er noch mal kommen muss. Wenn ich mir immer noch unsicher bin, rede ich mit ihm und nehme da Manu oder Kevin mit. Und bisher hab ich ja auch keinen Ärger mit ihm gehabt... Aber... ich zucke im Moment vor jeder Berührung zurück, außer sie kommt von Freunden. Das geht doch nicht."
Er zuckte zusammen, als sein Handy vibrierte und sah Didi entschuldigend an. "Sorry."

"Kein Problem", Hans-Dieter winkte ab. Er wollte gerade noch etwas sagen, als es schon an der Tür klopfte. Er stand auf und öffnete die Tür. Ein kleiner Servierwagen wurde hereingeschoben. Der Psychologe bedankte sich und schloss hinter der freundlichen Hotelangestellten die Tür. Er schob den Servierwagen weiter zu Leonardo.
"Dann bedien dich ruhig nebenbei." Er deutete auf das Essen und füllte sich selber auch etwas auf. Dann sprach er weiter. "Du hast vollkommen Recht. Es geht auch nicht, dass jede Berührung für dich schlimm ist. Kannst du mir erklären, was in dir vorgeht, wenn dich jemand berührt? Was sind deine Gefühle und Gedanken dabei?"

Leo zog schnell sein Handy hervor, als Didi wegen dem Essen aufstand und tippte eine kurze Antwort an Mo.
Danach bediente er sich ebenfalls und kaute auf einem Stück Brot herum, während er nachdachte. "Hm... na ja... ich hab einfach Angst, dass die Person nicht aufhört, wenn es für mich zu weit geht. Hier sind so gut wie alle viel stärker als ich und ich fühle mich total unsicher, wenn mich Jemand festhält, oder so, weil ich mich nicht wehren kann..."

Das Problem lag auf der Hand. Leonardo musste selbstbewusster werden. Das hatte er bei Manuel auch geschafft. Wenn er das richtig verstanden hatte, dann hatte Manuel sich Leonardo angenommen. Das könnte vom Nutzen werden.
"Leo, wo sind wir hier und was machst du hier? Also ich meine nicht hier in diesem Raum, sondern auf dem Gelände, in diesem Land... warum bist du hier?"

"H-hä?" Er schluckte den Bissen hinunter und tunkte das Brot danach wieder in den Frischkäse. Zum Schmieren war er gerade wirklich zu faul. "Ich bin hier um Fußball zu spielen, wieso? Was soll die Frage denn jetzt bringen?"

Hans-Dieter schmunzelte leicht. "Ja, das stimmt schon, aber du bist hier, weil du zu den Besten gehörst. Das ist eine WM, hier sind nur die Besten der Besten. Joachim Löw wählt mit seinem Team die Besten von allen deutschen Spielern aus. Es ist eine Ehre hier sein zu dürfen und ja, du darfst dir da was drauf einbilden, denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass du hier bist. Hast du dir das schon mal vor Augen geführt?"

Leo sah ihn weiterhin verwirrt an und vergaß für einen Moment sogar zu kauen. "Hmm... na ja... nicht direkt... Ich meine, es stimmt schon. Aber mir wird doch immer gesagt, ich soll nicht so ne große Klappe haben, also ... denke ich über so etwas halt nicht nach... Ich hab bisher immer eher gedacht, dass ich Glück gehabt habe, hier zu sein."

"Dein Platz in diesem Team ist kein Lottogewinn. Joachim Löw hat auch keine Stäbchen gezogen, ob du mitfahren sollst oder dein Konkurrent. Du ganz alleine bist dafür verantwortlich, dass du hier bist. Es liegt an deinem Können, an deinem Talent, an deinem Training und nicht an Glück."
Hans-Dieter aß von seinem Teller und beobachtete Leonardo dabei.
"Ähnliches bei Dortmund. Oder hat Jürgen Klopp euch Spieler Schnick-Schnack-Schuck spielen lassen, wer spielen darf, wer auf die Bank darf, wer überhaupt in den Kader darf?" Ein Schmunzeln umspielte seine Lippen. "Und dabei musst du dir immer vor Augen halten, dass du... wie alt bist du? 19? 20? Und was hast du schon erreicht in deinem Leben? Das ist einiges. Das haben andere Spieler, die älter sind noch nicht erreicht."

Leo wurde leicht rot, als er die Worte des Psychologen hörte. "Ja... also... dass ich gut bin, weiß ich schon zu schätzen, aber... es sind immer noch so viele besser als ich." Er lächelte bei dem Vergleich ebenfalls und schüttelte den Kopf. "Nee... das hat Kloppo schon selber entschieden... Ich bin 20... Und sooo jung ist das doch auch nicht mehr."

"Ich habe auch nicht gesagt, dass es niemanden gibt, der besser ist als du, aber es gibt viele, die schlechter sind, da du zu den Besten gehörst, Leo."
Hans-Dieter machte wieder eine kurze Pause.
"Es hat einen Grund, warum ich dir das erzähle. Du bist verunsichert, sonst würden dich die Berührungen der anderen nicht so erschrecken. Ich möchte dir deine Unsicherheit nehmen. Mit einem guten Selbstbewusstsein wirst du die Angst nicht mehr haben", erklärte er.

(ich bin jetzt weg, zur Info )

(oke^^)

"Hmm... gut, das könnte sein", murmelte er verlegen. "Und was soll ich machen, das sich selbstbewusster werde? Ich hab immer gedacht, dass ich ein gutes Selbstbewusstsein habe, zumindest nerve ich doch immer alle mit meiner großen Klappe. Das verstehe ich nicht", fragte er sich selbst und kratzte sich am Hinterkopf. Er verwarf den Gedanken, als ein Schokomuffin seine Aufmerksamkeit auf sich zog und er diesen schnell vom Servierwagen schnappte.