Teampsychologe

"Thomas, ich kann dir nicht sagen, wo du deine Eltern enttäuscht hast, weil ich sie nicht kenne und nicht weiß, was sie gesagt haben. Manche Menschen reagieren aber auch überstürzt auf manche Nachrichten und ändern ihre Meinung später. Vor allem wenn es um ihre Kinder geht. Manchmal passen die Vorstellungen ihrer Kinder nicht in ihr Weltbild und sie handeln überstürzt, aber dann denken sie noch mal darüber nach. Eltern lieben ihr Kind. Das ist eine Tatsache, die sich nun mal nicht ändern lässt", sagte Hans-Dieter noch zu diesem Thema.
"Aber, ich glaube, du solltest über die Sache mit Manuel noch mal eine Nacht schlafen. Du bist ziemlich aufgekratzt und aufgewühlt. Ich habe das Gefühl, dass ich mir den Mund fusslig reden kann bei dir. Das ist nicht böse gemeint, nur es macht wenig Sinn, wenn wir hier bis zwölf Uhr nachts sitzen für nichts und du morgen völlig übermüdet bist." Hans-Dieter lächelte Thomas an. "Geh am besten schlafen und wir reden morgen noch mal in aller Ruhe, okay? Man glaubt gar nicht, was eine Nacht an Schlaf für Wunder bewirken kann."

"Danke Didi, ich denke du hast recht! Und ich werde mein bestes versuchen! Und der Tag war sehr anstrengend für mich und Sebbi auch! Ich komme morgen Abend wider ja?" fragte Thomas nach und erhob sich. Auch Sebbi tat es ihm nach. Sebbi war heute eine große Stütze gewesen, aber auch Miro und die anderen. "Bis morgen Didi!" sagte Thomas und versuchte sich an einen lächeln. Nach Didis Antwort Verliesen die beiden, das Zimmer des Docs.
tbc Hotelzimmer mit Sebbi

Hans-Dieter sah Thomas fast schon mit einem traurigen Lächeln hinterher. Was das alles für Emotionen sein mussten, die in ihm vorgingen. Die Liebe und gleichzeitig der Hass zu Manu, die Eifersucht, die er hatte oder hat, dann die Trauer wegen der Reaktionen seiner Eltern, die Unterstützung von Sebastian, die Freude über die gewonnen Spiele und der Frust über das Verlorene...
Aber waren Emotionen nicht immer gleichsam schlimm wie schön?
Hans-Dieter packte seine Unterlagen zusammen und verließ den Raum. Sorgfältig schloss er die Tür ab. Er war müde und würde erst mal schlafen gehen.

tbc: Zimmer von Hans-Dieter

cf: Speisesaal

Hans-Dieter schloss also den Raum wieder auf, lüftete erst mal und stellte dann frische Gläser und frisches Wasser auf den kleinen Tisch. Er räumte einige Unterlagen weg und holte sich neue Notizzettel raus. Bis Marco aber hier war, studierte er welche von den alten Unterlagen.

cf: Speisesaal

Unsicher stand Mario vor der Tür vom Teampsychologen. Er drückte Marcos Hand, wollte am liebsten wieder gehen. Aber er musste das hier durchstehen. Vielleicht würde es ihm helfen.
"Sie will mich nicht sehen oder?" Natürlich, sonst hätte sie ihn ja angesprochen.
Langsam und schüchtern klopfte er an die Tür.

Das Klopfen ließ ihn aufhorchen. "Herein!" Hans-Dieter setzte sich vorsorglich schon mal in den Sessel. Das würde sicher Marco sein, sonst musste er die Person erst wieder wegschicken.

Marco erwiderte den Händedruck und öffnete die Tür. "Das hat sie nicht gesagt, Mario. Wir reden später darüber, ja?" Er strich beruhigend mit dem Daumen über Marios Handrücken, bevor er eintrat und Mario hinter sich herzog.

Mario tat es unglaublich gut, dass Marco für ihn da war. Er nickte nur und schlurfte hinter Marco her in das Zimmer. Vor Scham versteckte er sich ein wenig hinter Marcos Rücken und blinzelte über seine Schulter. Es war schon peinlich, wenn man hier hin musste. Als hätte er einen an der Klatsche. Aber sein Herz schmerzte einfach so stark.

Da war also Mario, um den er sich gestern schon hätte kümmern sollen. Ihm schien das ganze unwahrscheinlich unangenehm zu sein.
"Setzt euch doch." Hans-Dieter deutete auf das Sofa vor ihm und goss direkt in drei Gläser Wasser ein. "Was kann ich für euch tun?"

Marco seufzte und zog Mario an seiner Hand auf das Sofa zu. "Stell dich nicht so an", flüsterte er ihm zu und drückte ihn auf das Sofa, bevor er ihm auch noch ein Glas Wasser in die Hand drückte. Danach griff auch er nach einem Glas und ließ sich neben Mario fallen. "Na ja, es geht nicht wirklich um mich. Ich komm klar. Aber Mario, er... ihm geht es immer schlechter, aber am Besten erklärt er es selber", antwortete er und sah Mario auffordernd an.

Mario zuckte zusammen und fühlte sich so nackt. Deshalb griff er sofort wieder nach Marcos Hand. Was der Psychologe möglicherweise daraus deuten würde, war ihm gar nicht richtig bewusst.
Seine Hände waren feucht und er hätte sich am liebsten versteckt. "Ich... ich halte es nicht mehr aus. Kann ein Herz richtig entzwei brechen? Ich habe es gestern gespürt. Es ist zersplittert und wird nicht wieder zusammenwachsen." Mario sprach mit leiser Stimme und sah gegen die Wand. Er konnte Hans-Dieter nicht ansehen, er fühlte sich mit einem Mal wieder so schlecht.

Deswegen war Philipp bei ihm gewesen. Langsam verstand Hans-Dieter den Zusammenhang. Das alles klang nach grausigem Liebeskummer. Gab es irgendjemanden in dieser Mannschaft, der keinen Liebeskummer oder generell Probleme in seiner Beziehung hatte?
"Mario, ich könnte dir jetzt einen Vortrag halten, dass ein Herz aus Gewebe und Haut besteht und nicht splittern kann, aber das lasse ich jetzt mal", er lächelte leicht. "Ich bin hier, weil ich dir helfen soll, richtig? Mario, du brauchst keine Angst zu haben und dir muss das auch nicht unangenehm sein. Nichts verlässt diesen Raum und du willst nicht wissen, was ich in dieser kurzen Zeit hier in Brasilien schon alles gehört habe. Erzähl mir einfach alles, damit ich dich verstehen kann. Ich möchte wissen, warum dein Herz zerbrochen ist."
Marco schien dem Jungen eine unglaubliche Stütze zu sein. Ohne wäre er sicher nicht hergekommen, er sollte ruhig dabei bleiben.

Mario drückte wieder fest Marcos Hand und sah ihm in die Augen. Die pure Dankbarkeit lag darin, dass er ihn nicht allein ließ.
"Ich brauche wohl wirklich Hilfe." Das war eine Feststellung und es stimmte. Er brauchte dringend Hilfe. "Ich bin nicht schwul. Um das zu Beginn einmal klar zustellen. Es geht um Emilia Kroos. Ich... also ich hab mich in sie verliebt. Ich wache morgens mit dem Gedanken an sie auf und schlafe mit dem Gedanken an sie ein. Aber..." Hilfesuchend sah er wieder zu Marco. "sie liebt mich nicht. Es gibt da ein Problem. Und das heißt Manuel und wird der Vater von ihren Zwillingen." Damit schloss er. Sollte der Psychologe erst einmal das analysieren.

Gab es hier eine Geschichte, in der weder Manuel, noch Emilia vorkamen? Es war wirr und in Hans-Dieters Kopf verbanden sich immer mehr Stränge. Aber das tat gerade nichts zur Sache.
Es stellte sich ihm aber die Frage, warum Mario direkt klar stellte, dass er nicht schwul war. Wusste er von den vielen Homosexuellen im Team? Anscheinend.
"Also... du liebst Emilia, aber sie dich nicht. Sie ist schwanger und Manuel der Vater. Willst du mir damit sagen, dass Emilia und Manuel nun ein Paar sind?" Er wusste ja, das dem nicht so war, aber das konnte er nicht sagen. Hans-Dieter wurde sich gerade etwas über die Problematik bewusst. Er musste sich unbedingt deutlich machen, was er von wem wusste, damit er nichts falsches erzählte. Manuel war hier gewesen deswegen, Thomas und jetzt Mario.

Mario zuckte zusammen und ein schmerzhaftes Keuchen entwich ihm. Wusste der Doc also mehr? Oder wie kam er darauf. Mit aufgerissenen Augen sah er Hans-Dieter an. "Manu und Emy sind ein Paar? Das erklärt natürlich einiges. Sie... also sie geht nach dem Sommer nach München zu ihm. Das hat sie mir heute Morgen gesagt und damit ist wohl endgültig alles aus. Also nicht, dass es jemals angefangen hatte, aber sie wollte abwarten ob sie mal Gefühle für mich bekommt. Aber also... das kann ich dann wohl vergessen. Und jedes Mal... es ist wie ein Dolch der in mein Herz gestoßen wird. Es hört nicht mehr auf. Ich wünsche mir doch nichts sehnlicher, als eine Familie mit ihr zu werden..." Mario senkte den Kopf und vergrub sein Gesicht zwischen seinen Knien. Es war alles zu viel für ihn.

Marco sah den Doc verwirrt an und rutschte näher an Mario heran, um ihn in den Arm nehmen zu können. "Hey, Mario... das wissen wir doch gar nicht. Ich habe Emilia noch nie wirklich viel mit Manu gesehen, ja? Wir wissen noch nicht, dass das wirklich stimmt. Steiger dich da nicht rein, okay?" Er zögerte einen Moment, bevor er ihm einen Kuss aufs Haar gab. "Und ich soll dir von Emilia auch sagen, dass sie dich nie verletzen wollte, aber jetzt auch an das Wohl ihrer Kinder denken muss und nicht nur an ihres. Ich glaube, wenn sie alleine wäre, würde sie bei dir bleiben, aber so... sie will zu Manuel nach München ziehen, damit die Kinder ihren Vater haben."

Hans-Dieter runzelte die Stirn. Er hatte mit keinem Wort erwähnt, dass Manuel und Emilia ein Paar waren. Es musste Mario ja schwer erwischt haben, wenn er direkt davon ausging, nur, weil er beide in einem Atemzug genannt hatte.
"Mario, ich habe nie gesagt, dass Emilia und Manuel ein Paar sind. Ich weiß es auch nicht. Ich finde, man kann es ihr aber nicht verübeln, wenn sie nach München möchte, damit die Kinde einen Vater haben. Anscheinend würde Manuel sich ja auch um sie kümmern. Du musst aber auch wissen, Mario, dass dies eine Entscheidung für die Kinder ist und nicht gegen dich. Eine Mutter trifft manchmal Entscheidungen im Leben, die wir anderen nicht verstehen. Die du in diesem Fall nicht verstehst. Emilia musste zwischen sich und den Kindern wählen und dann wählt eine Mutter immer ihre Kinder."
Hans-Dieter sah Mario abwartend an. Ob er das wohl verstehen würde? "Es ist, wie Marco es schon gesagt hat, sie denkt an ihre Kinder. Du bist dadurch nicht automatisch ausgeschlossen, aber natürlich macht es die Entfernung nicht einfacher."
Er seufzte leise. Marco sprach wahre Worte. Mario steigerte sich da wirklich ziemlich krass in etwas rein. Er wartete jetzt erst mal auf seine Reaktion, bevor er weiter über das Thema sprach.

Mario rutschte näher an Marco und ließ sich von ihm in den Arm nehmen. Das fühlte sich so gut an, er brauchte Marco einfach so dringend. Aber hatte der Doc vielleicht Recht? Waren die beiden kein Paar und es ging wirklich nur um die Kinder? "Aber... ich.. also ich würde mich doch auch um die Kinder kümmern", antwortete Mario wie ein kleines Kind. Er wollte Emy nicht nur wegen den Kindern verlieren. "Ich kann doch ein guter Ersatzpapa sein. Ich muss auch nicht öfter zum Training als Manu auch. Meine Familie ist auch hier, wir würden das doch alles hinkriegen." Mario war inzwischen richtig panisch. "Liebe kann doch so viel bewegen. Und zumindest ich liebe sie doch." Er flüsterte nur noch und drückte Marcos Hand zusammen.

"Dein Wille Ersatzpapa zu sein in allen Ehren, Mario, aber es ist doch etwas anderes, ob Kinder bei ihrem leiblichen Vater aufwachsen oder nicht. Natürlich ist es das wichtigste, dass der Vater seine Kinder liebt. Und es ist auch egal, wer öfter zum Training kann oder nicht. Du musst verstehen, Mario, dass in dieser Konstellation von euch dreien ganz hinten stehst. Manuel hat ein Recht darauf seine Kinder zu sehen und wenn Emilia sagt, sie findest es gut und will sich mit ihm zusammen um die beiden kümmern, dann ist das nun mal so. Aber, und das ist auch ganz wichtig, das alles schließt dich nicht automatisch aus. Du musst das mit Emilia besprechen. Da... da kann niemand etwas tun. Niemand kann sie zwingen dich zu lieben. Du kannst es ihr nur zeigen, beweisen, sagen... und hoffen, dass sie Gefühle für dich entwickelt und dich in ihr Leben lässt."
Hans-Dieter machte eine kurze Pause. Er überlegte, ob er näher darauf einging, dass sie die Entfernung dann vielleicht daran hinderte, aber das tat er lieber nicht.

Hatte Mario also Recht gehabt. Niemand konnte ihm helfen. Und niemand wollte ihm helfen. Es gab nur Manu und Emilia, er passte in dieses Konzept nicht rein. Deshalb stand er auf und sah noch einmal auf. "Ich habe ihr bereits gesagt, was ich fühle und ihr gezeigt, wie viel sie mir bedeutet. Sie will mich nicht und damit ist dann ja alles geklärt. Vielen Dank für deine Hilfe, ich muss dann wohl allein damit fertig werden." Marco sah er gar nicht an. Wollte nicht in sein Gesicht sehen. Aber ihm konnte wohl niemand helfen. Wenn schon der Psychologe ihm nicht richtig helfen konnte, musste er einfach selbst sein Leben auf die Reihe bekommen.

"Mario, setz dich wieder", bat Hans-Dieter mit einer gewissen Stränge im Gesicht, machte aber keine Anstalten aufzustehen und den Spieler aufzuhalten.
"Was erwartest du von mir? Sag mir das mal", sagte er deutlich sanfter.

Marco stand auf und griff nach Marios Hand, um ihn sanft, aber bestimmt wieder zurück aufs Sofa zu ziehen. "Der Doc hat recht, Mario... Ich will dir außerdem doch auch helfen, aber du solltest wirklich noch mal mit Emilia reden, sie wird auch mit dir sprechen, da bin ich mir sicher. Aber du kannst nicht erwarten, dass hier Wunder geschehen..."

Mario tat wieder alles weh. "Klar erwarte ich keine Wunder", flüsterte Mario. "Kannst du nicht irgendwas tun, dass diese Schmerzen aufhören? Es tut so weh in meinem Herz. Als wenn alles auseinanderfällt. Ich will das nicht mehr. Ich will nicht mehr so leiden, ich will endlich glücklich werden. Ich will eine Frau, die mich liebt. Aber sie liebt mich nicht, das muss ich akzeptieren." Traurig setzte er sich wieder auf das Sofa. Ihm kam nur der Gedanke mit München. Aber er konnte da vor Marco nicht drüber reden. Der würde ihn hassen.

Traurig lächelte Hans-Dieter. Er wünschte, er könnte Mario helfen. "Es gibt Dinge im Leben, da können wir nichts gegen tun. Liebeskummer ist so eine Sachen. Einigen hilft Ablenkung, anderen ihre Ruhe. Du musst selber herausfinden, was für dich da am besten ist. Aber ich würde ein letztes Mal mit ihr reden, um die Fronten klar zu machen. Ich habe nämlich das Gefühl, dass die noch nicht so ganz geklärt sind."

"Ich brauche nicht mit ihr reden. Ich weiß, wie sie denkt. Ich passe nicht in ihr Lebenskonzept." Er hatte nur eine allerletzte Chance ihr zu zeigen, was sie ihm bedeutete. Er konnte nach München gehen. Er sah weg und wusste, dass er alles zerstörte und Marco ihn hassen würde. Er verlor jetzt gleich seinen allerbesten Freund, der wichtigste Mensch in seinem Leben. "Ich habe eine einzige Chance", flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. "Ich habe ein Angebot vom FC Bayern. Wenn sie nur einen kleinen Schritt in meine Richtung macht, könnte ich mit ihr zusammen nach München gehen." Er fühlte sie wie die Kacke persönlich.