Teampsychologe

"Leo, weißt du, ich bin kein Paartherapeut oder so was, aber ich will versuchen, dir zu helfen", fing er an und hoffte, dass Leonardo keine Wunder von ihm erwartet hatte.
"Im Umgang mit Menschen gibt es keine Gebrauchsanweisung oder optimale Lösung. Wir müssen selber entscheiden, wie wir reagieren. Manchmal sind wir uns unsicher und hin und wieder bereuen wir unsere Entscheidung auch, aber das alles gehört zum Leben nun mal dazu. Wir sind alle nicht perfekt. Wenn deine Freundin einen Fehler gemacht hat, kann sie froh sein, dass du ihr verziehen hast. Sie sollte aber auch verstehen, dass du es seltsam findest, wenn alles plötzlich wieder normal ist. Auf der anderen Seite dachte sie wohl auch, das alles okay ist und war überrascht davon. Du solltest noch mal mit ihr reden, wenn Moritz nicht dabei ist. Mach ihr deine Zweifel klar, aber versuch ruhig und sachlich zu bleiben. Und bevor du mit ihr redest, versuch dir selber klar zu machen, was du willst. Willst du es so versuchen, wie es ist oder willst du doch zurückschrauben? Es ist ihr auch nur fair gegenüber, wenn du dir klar machst, was du eigentlich willst. Auch hier gibt es keine optimale Lösung. Vielleicht bereust du deine Entscheidung, vielleicht aber auch nicht. Das kann dir niemand sagen. Aber wenn dein Herz Zweifel hat, hat es die nicht umsonst. Es gibt da einen Spruch, der vielleicht ganz passend ist für dich: Wenn dich dein Herz in die eine, dein Verstand in die andere Richtung zerrt, entscheide dich für eine Richtung. Tust du es nicht, wirst du von beiden zerrissen."
Dann schwieg Hans-Dieter erst mal. Er hatte jetzt ziemlich viel am Stück geredet. Da brauchte er erst mal einen Schluck Wasser.

Leo nickte und hörte dem Doc aufmerksam zu. Beeindruckt starrte er ihn an und schluckte. Verglichen zu ihm kam er sich so dumm vor, wie ein kleines Kind. "Ich... also..." Er kratzte sich verwirrt am Hinterkopf und seufzte. "Also... dass ich mit ihr zusammen sein will, steht für mich außer Frage und na ja... zurückschrauben..." Er dachte an ihre erste Nacht, den darauffolgenden Morgen, die Sache im Speisesaal und danach in der Dusche und lächelte verträumt. "Also... mein Verstand sagt mir, dass ich es zurückschrauben sollte, weil ich eben nicht noch mal verletzt werden will, aber... aber mein Herz sagt mir, dass ich sie einfach will. Also, so wie früher. Ohne Zurückhalten, oder sonst irgendetwas..." Er kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum.

Hans-Dieter nickte aufmerksam.
"Bist du ein spontaner Typ, Leo? Jemand, der viel aus dem Bauch heraus entscheidet? Und bist du damit oft gegen die Wand gefahren oder hast du damit gute Entscheidungen?"

Leo runzelte die Stirn, da er diese Frage nicht wirklich einschätzen konnte. Trotzdem beschloss er, sie lieber ehrlich zu beantworten, am Ende wusste der Doc die Antwort sowieso schon und testete ihn nur. "Also... eher spontan. Ich meine, ich handle oft unüberlegt und hab leider eine sehr große Klappe. Normalerweise komme ich ganz gut damit klar, aber hier bin ich in letzter Zeit ab und zu angeeckt. Zum Beispiel mit Mario habe ich mich ziemlich übel in die Haare bekommen. Aber ich finde, das gehört einfach zu mir."

"Dann mach genau das. Hör auf dein Bauchgefühl. Mit der Entscheidung wirst du dich am wohlsten fühlen, glaube ich", aufmunternd lächelte er ihn an.

"O-okay... Dann... dann sollte ich ihr schreiben, dass wir noch mal reden. Sie sah ziemlich verletzt aus, nicht, dass sie jetzt irgendwie zurück nach Deutschland fliegt, oder so." Er stand auf und griff nach seinem Wasserglas, das er in einem Zug leerte. "Danke, Doc. ... Also.. ich wollte hier ja eigentlich nicht hin, aber... so schlimm war es gar nicht." Er lächelte schwach. "Wenn noch mal was ist, komme ich eher vorbei, dann ist es auch nicht so viel auf einmal, okay?"

"Was soll das denn heißen?", Hans-Dieter konnte nicht anders als zu lachen. "Habe ich so einen schlimmen Ruf? Ich hoffe doch nicht."
Dann nickte er. "Ja, das wäre wirklich besser. Das war sehr viel auf einmal. Aber jetzt mach, dass du raus kommst, es ist schon spät." Hans-Dieter stand auf und öffnete Leonardo die Tür. "Du kannst so oft vorbeikommen, wie du magst."

"W-was?! Nein! Nein, so habe ich das nicht gemeint, aber... Psychologe... das hört sich immer so an, als hätte man einen Schuss..." Er schüttelte grinsend den Kopf. Didis Kommentar zur Uhrzeit ließ ihn allerdings auflachen. Das erinnerte ihn wirklich zu sehr an seine Eltern, als er noch Zuhause gelebt hatte. "Jaja, Papa", grummelte er leise zu sich selbst und schenkte ihm noch ein freches Grinsen, bevor er das Zimmer verließ und die Treppe zu seinem Zimmer hinaufjoggte.

Tbc: Zimmer von Leo & Mo

Hans-Dieter verstand schon, was Leonardo meinte. So war das nun mal. Er kannte es ja nicht anders. Manchmal zumindest.
Er schloss hinter ihm die Tür, ordnete seine Sachen und verschwand dann in sein Zimmer, um noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.

tbc: Zimmer von Didi

cf: Zimmer von Benni und Mats

Hans-Dieter schloss die Tür und atmete erst mal durch. Das würde noch schwer werden bei den beiden. Aber immerhin sah Julian schon mal ein, dass er Hilfe brauchte. Gut, dass Benedikt ihn gerufen hatte.

SMS an Didi


Muss bald auch das Team hinter dem Team zahlen?!

Hans-Dieter konnte über Joachims SMS nur lachen. Das sollte er mal wagen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass die Besprechung lief. Vielleicht sollte er sich das mal angucken.

tbc: Besprechungsraum 1

cf Benedikt, Julian, Didi: Besprechungsraum 1

"Setzt euch doch schon mal", Hans-Dieter zeigte aufs Sofa, holte drei Gläser, Wasser und setzte sich ihnen gegenüber in den Sessel. "Ihr habt also miteinander geredet", er sah sie auffordernd an. Ob sie wohl verstanden, dass sie erst mal erzählen sollten?

Julian setzte sich, fühlte sich nicht wirklich wohl in dieser Rolle. Er redete nicht gerne über die Sache. Und wenn Benni jetzt nicht neben ihm sitzen würde, würde er es vielleicht auch nicht durchziehen.
"Haben wir", erklärte er. "Und... ich mach das auch nicht wieder mit dem Ritzen... Ich hab Benni damit auch nur weh getan und das will ich nicht."

Auch Benni nickte bestätigend.
"Ich glaube, zwischen uns ist jetzt alles geklärt", meinte er.
"Wir haben viel geredet, nicht nur über das Ritzen, auch allgemein..."
Er war sich jetzt sicher, dass nichts mehr zwischen ihnen stand, das alles geklärt war und sie jetzt wirklich nach vorne schauen konnten.

"Reden ist wichtig, vor allem auch in eurer Situation. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, sind die Berührungen bei euch genauso wichtig. Habt ihr darüber auch gesprochen? Und was ist dabei rausgekommen, wenn es der Fall war?"
Hans-Dieter musste wissen, bei welchem Level er ungefähr anfangen konnte. Immerhin war das ein Unterscheid. Zu weit oben durfte er nicht starten, lieber eine Stufe tiefer.

Julian griff nach Bennis Hand, suchte diesen Halt. Es war komisch, über all das zu reden. Wenn er Schmelle Sextipps gab, um ihn zu ärgern, war das eine Sache. Aber mit Dr. Hermann über Berührungen zu reden, die ihm wahnsinnig schwer fielen, war seltsam.
"Ich... also Benni hat gesagt, dass es okay ist, wenn ich noch Probleme hab. Und... mit kleinen Berührungen hab ich auch kein Problem, solang ich die Kontrolle darüber hab..."

Benni merkte, wie schwer es Julian fiel, darüber zu reden. Er griff nach seiner Hand, drückte sie aufmunternd.
"Ich habe kein Problem damit, wenn wir im Moment eben keinen Sex haben, das kann ich auch einfach nicht erwarten, das ist mir bewusst. Aber es ist ja auch nicht so, dass Jule bei jeder Berührung zurück zuckt. Da müssen wir uns eben ganz langsam und behutsam rantasten, ich bin mir sicher, dass das mit der Zeit wieder normal wird."
Ein bisschen seltsam war es tatsächlich, darüber zu sprechen, aber das musste eben sein.

Hans-Dieter lächelte.
"Das ist gut. Allerdings, Benedikt, musst du, was das betrifft auch ehrlich sein. Nachdem was du durchgemacht hast, wäre es nicht verwunderlich, wenn du Nähe brauchst. Ich spreche nicht unbedingt von Sex, aber ich weiß nicht, wie viel Nähe Julian zulassen kann. Wie viel Nähe auch, die von dir ausgeht", erklärte er ruhig.
"Ich möchte gerne, dass du, Julian, mir erzählst, wie deine Vertrauensbasis zu Benedikt aussieht. Wenn du willst, kann er auch so lange rausgehen. Aber ich möchte wissen, wie du dein Vertrauen zu ihm selber beschreiben würdest. Wo liegen die Grenzen und wo hört dein Körper auf und zieht eine Schutzmauer hoch?"

"Ist okay, wenn er bleibt", meinte Julian, drückte Bennis Hand fest. Benni wusste das ja eigentlich auch. Er musste es auch wissen.
"Ich kann schon Nähe zulassen. So ist es ja nicht. Und was das Vertrauen angeht... Das ist ja eigentlich schon da. Und ich weiß auch, dass er das nicht wieder machen würde. Aber... wenn ich dann in der Situation bin und er irgendwie über mir ist oder die volle Kontrolle übernimmt... und wenn ich keinen Fluchtweg mehr hätte... dann kann ich das nicht mehr. Ich will das ja gar nicht, aber da hab ich dann nur noch Angst."

Benni streichelte beruhigend über Julians Hand.
Er ließ ihn einfach erst einmal seine Sicht der Dinge erklären, er wusste ja, wo Julians Grenzen lagen.
Eine große Überraschung war es also nicht.
Er nickte bestätigend.
"Und mir reicht das, was ich im Moment bekomme, auch aus. Wenn ich Rücksicht nehme und Julian eben die Führung überlasse, ist schon eine ganze Menge wieder drin", erklärte er.
"Also... Nähe, wirklich einfach nur Nähe, ist in Ordnung so, wie es ist."

"Ihr wollt euch aber trotzdem immer näher an den anderen heran tasten, oder? Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder wir reden nur darüber, wenn ihr das braucht oder wir handeln auch. Es gibt verschiedene Übungen, die das Vertrauen zueinander stärkt und euch beiden deutlich macht, dass ihr keine Angst vor dem anderen haben müsst. Stück für Stück steigert sie das Vertrauen und den Glauben daran, dass niemand dem anderen etwas tut. Ich weiß, das klingt vielleicht komisch, aber so ist es nun mal. Julian hat eine gewisse Angst und die wollen wir doch bei Seite schieben, oder nicht? Aber ihr müsst es auch wollen. Seid ihr dabei, oder nicht? Eure Entscheidung."
Hans-Dieter sah beide an. Er konnte auch gerne noch mehr dazu sagen, aber erst mal musste er wissen, ob beide nicht abgeneigt waren wirklich mitzumachen.

(Ich bin schlafen, ihr Zwei, bis morgen )

Julian nickte fast sofort, hatte da keine Zweifel. Er wollte und musste dieses Vertrauen in Benni zurückgewinnen. Er wollte, dass es so schnell wie möglich wieder normal wurde.
"Ich wär dabei", sagte er dann auch klipp und klar, sah zu Benni. Wenn das half, dass er wirklich Vertrauen zurückgewann, würde er das machen. Er wollte wieder zur Normalität zurückfinden.

Auch Benni nickte.
"Das klingt nach einer guten Idee", fand er.
Da konnte er Julian endlich beweisen, dass er keine Angst zu haben brauchte.
Er war sich sicher, dass es ihnen helfen würde.
"Ich wär auch dabei."

"Das ist sehr gut", Hans-Dieter nickte, legte seine Unterlagen bei Seite und stand auf. Er ging zu einem Schrank und begann zu suchen. Irgendwo musste doch... na, wer sagte es denn.
Als er sich zu den beiden wieder umdrehte, hatte er sichtbar einen schwarzen Schal in der Hand.
"Wir fangen ganz simpel an", fing er an, während er den beiden wieder näher kam. "Benedikt, du verbindest Julian die Augen und führst ihn im Zimmer umher. Ihr kennt das sicher. Vorher wird Julian ein paar mal im Kreis gedreht, damit er die Orientierung verliert. Dabei ist sprechen aber verboten. Ihr dürft einzig und allein über eure Körper kommunizieren - es sei denn!", Hans-Dieter blickte Julian ernst an. "Es sei denn, du fühlst dich unwohl. Du darfst jeder Zeit die Übung abbrechen. Das ist nicht schlimmes, wenn du das tust."
Er sah beide wieder an, während er weiter sprach. "Das ist sowieso etwas ganz wichtiges. Wenn es etwas gibt, was euch unangenehm ist und wo ihr euch nicht wohlfühlt, sagt das. macht eich bemerkbar, dann brechen wir sofort ab. Wir können darüber reden und es noch mal versuchen oder erst etwas anderes machen. Alles ist möglich. Ihr müsst nur ehrlich sein. Ehrlich zu mir, ehrlich zu einander und vor allem ehrlich zu euch selbst."
Hans-Dieter hielt Benedikt das Tuch hin. "Wenn ihr bereit seid, können wir direkt anfangen."