Hotelzimmer von Julian Draxler und Leon Goretzka

Julians bitteres Lachen und sein hohler Tonfall taten einfach weh und Benni musste hart schlucken. Die Frage fühlte sich an wie ein Messer, das man ihm gezielt ins Herz bohrte.
"Nein", murmelte Benni schlicht. "Ich hab dich nicht aus dem Kopf bekommen und Mats mittendrin stehen lassen, weil ich nur an dich denken musste."
Er seuftze.
Im Nachhinein verstand er, was ihn da angetrieben hatte. Der Alkohol, Mats und die frustrierende Situation mit Julian hatten in einer verhängnisvollen Weise zusammenespielt und ihn Dinge tun lassen, die er jetzt mehr bereute als alles andere.

"Du hast ihn stehen lassen?", fragte er nach, wusste nicht, was er denken sollte. Machte es das überhaupt besser? Nun ja... Irgendwie schon. Aber trotzdem war längst nicht alles wieder gut. Benni hatte sein Vertrauen missbraucht und Julian wusste nicht, ob er ihm jemals wieder vertrauen konnte.
"Weißt du, wie weh du mir getan hast?", fragte er, sah Benni mit wässrigen Augen an. "Ich weiß, dass nicht alles gut war und dass ich auch Fehler gemacht habe... Aber ich hätte nie gedacht, dass du mir das antun würdest."

Etwas seltsam war das ja schon. Dass er Julian fast missbraucht hätte, hatte der ihm schon längst verziehen. Aber dass er ihn fast betrogen hätte, war für ihn scheinbar schlimmer.
Wie viel schlimmer, dass sah er deutlich daran, dass Julian sich scheinbar stark zusammenreißen musste, um nicht zu weinen.
Es gelang ihm allerdings besser als Benni, der den stechenden Schmerz, den jedes von Julians Worten in ihm auslöste, kaum noch ertrug. Er atmete tief durch, aber es reichte nicht.
"Ich auch nicht", murmelte er mit brüchiger Stimme. Er hätte nie gedacht, dass er ihm das antun würde.
Er vergrub das Gesicht in den Händen, konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Langsam ließ er sich zu Boden sinken.
"Ich wollte das niemals tun."

"Warum hast du es dann getan?", fragte Jule verzweifelt. Als er sah, wie Benni nun leise weinte, konnte auch er selbst die Tränen nicht länger zurückhalten, spürte die zahlreichen Tränen, die den Weg über seine Wange fanden.
"Ich hab bisher gedacht, dass du es gemacht hast, weil du mich nicht liebst. Aber jetzt weiß ich gar nichts mehr."
Er wischte sich die Tränen von den Wangen, schniefte laut.
"Was willst du denn? Eine offene Beziehung?"
Julian wusste nicht, ob er das konnte oder ob es ihn nicht nur kaputt machen würde. Aber er liebte Benni doch auch...

"Ich weiß nicht", murmelte Benni.
Es war so kompliziert und er wusste mittlerweile selbst nicht mehr, was er eigentlich wollte, was er aus welchem Grund getan hatte.
Er liebte Julian, das wusste er. Aber ansonsten?
Er fühlte sich so völlig überfordert und hilflos.
"Ich weiß es nicht... Ablenkung, vielleicht... weil zwischen uns alles so kompliziert und anstrengend war und ich..."
Er schluchzte und wischte sich mit dem Hemdsärmel über das Gesicht.
"Ich konnte einfach nicht mehr. Immer musste ich stark bleiben, für dich und... ich hab auch meine Grenzen. Irgendwann halt ich es auch nicht mehr aus..."

"Ich... wollte dich nie zwingen, stark zu sein", murmelte Jule und sah Benni verzweifelt an. Wie hatte es denn so weit kommen können? Sie hatten Probleme gehabt. Große Probleme. Aber sie hatten sich doch auch geliebt. Das Gröbste hatten sie doch sogar überstanden. Woran war es dann gescheitert?
"Ich hab doch extra versucht, dich nicht damit zu belasten."
Er hatte es doch mit sich selbst ausmachen wollen. Und er hatte doch immer versucht, dass alles wieder normal war. Aber wenn er nicht mit Benni schlafen konnte, machte er das doch nicht mit Absicht.

Benni schniefte.
Er hatte nie gewollt, dass es so weit kam, dass sie tatsächlich solche Probleme hatten. Er hatte gedacht, sie hätten das wirklich heftige überstanden und es würde jetzt nur noch besser werden.
"Ich weiß... aber es hat mich eben belastet. Und wahrscheinlich sogar zu viel."
Er rieb sich über das frisch rasierte Gesicht.
Sich zu aufzustylen hätte er auch sein lassen können, wenn er jetzt doch wieder rumheulte.
Er hatte mit einem ganz anderen Verlauf gerechnet. Hatte erwartet, dass Julian in erster Linie wütend auf ihn war und er ihn regelrecht um ein paar Minuten Redezeit anbetteln musste, damit er eine Entschuldigung vorbringen konnte.
Aber es war irgendwie ganz anders gekommen und sie waren nur am Rumheulen.
"Bist du eigentlich... wütend?" fragte er vorsichtig.

"Ich wollte dich nicht belasten", murmelte er und wischte mit der Hand die neuen Tränen weg. Er wusste gar nicht, was das hier war. Sprachen sie sich hier nur einfach so aus oder waren sie dabei, sich zu versöhnen und wieder ein Paar zu werden? Er wusste es wirklich nicht.
War er wütend? Nein, nicht wirklich. Ein bisschen vielleicht. Aber nicht mehr. Vielleicht fehlte ihm die Kraft dazu, wütend zu sen.
"Bin ich nicht", murmelte Jule und schüttelte den Kopf. "Am Anfang war ich... nur leer. Und jetzt... bin ich vor allem enttäuscht."

Benni schluckte.
Julians Worte waren wie ein Messer, bohrten sich in sein Herz und taten unbeschreiblich weh.
"Ich wollte das nicht", murmelte er mit erstickter Stimme. "Ich wollte dir nie so wehtun... ich liebe dich doch."
Das war so ziemlich das einzige, was er sicher musste. War er bei Jojo noch optimistisch gewesen, dass das alles irgendwie wieder werden würde, zweifelte er jetzt daran, ob es wirklich das Richtige war, wenn sie es ein weiteres Mal versuchten.
Was, wenn sie sich nur immer mehr wehtaten? Bis einer von ihnen, oder sie beide, völlig kaputt waren.
"Was soll ich jetzt machen?" Er wusste es einfach nicht.
Er wusste, dass er bereute, was er getan hatte und er wusste, dass er Julian liebte.

"Ich liebe dich doch auch", murmelte Jule. Er glaubte Benni ja. Er glaubte, dass es ihm leid tat und dass er es wirklich bereute. Er glaubte auch, dass Benni ihn liebte.
Er wollte ihm verzeihen. Er würde ihm vermutlich auch verzeihen. Aber trotzdem konnten sie nicht so weitermachen wie bisher.
"Aber das geht so nicht weiter... Wir können so nicht weitermachen. Wenn wir beide uns Mühe geben und es trotzdem nicht reicht... dann... ist eine offene Beziehung vielleicht wirklich das richtige. Solange ich noch hier bin."
Dass er wechseln würde, stand für ihn weiterhin fest. Das mit ihnen klappte eben noch nicht. Also würde er gehen. Die paar Wochen, die sie noch hatten, würde er es dann schon überleben, wenn Benni ihn betrog.

Benni erstarrte.
Für einen Moment brachen hunderttausende verschiedenste Empfindungen und Erinnerungen über ihm ein und verschlangen ihn fast. Und genauso schnell, wie es gekommen war, war es auch wieder weg und zurück blieb nur eine endlose und schmerzende Leere.
"Solange du noch da bist?"
Seine Stimme klang tonlos und leer. Er fühlte nicht einmal Enttäuschung. Er fühlte... nichts. Er ahnte, wie es Julian gegangen war.
"Wechselst du etwa?"

Es tat ihm weh zu hören, wie tonlos Bennis Stimme klang. Aber es war das Beste für sie beide. Es brachte doch nichts, wenn sie weitermachten wie bisher. Sie taten sich nur noch mehr weh bis alles zwischen ihnen unreparierbar zerstört war.
"Noch nicht fest, aber... ja, ich werde wohl wechseln. Wir können so doch nicht weitermachen. Ich weiß nicht, ob es an mir oder an dir liegt, aber... du bist doch offensichtlich noch nicht bereit für das mit uns. Und wenn ich gehe... vielleicht auch nur für ein Jahr, in dem du dich ausleben kannst... vielleicht klappt es dann."

"Ausleben?"
Fassungslos sah Benni Julian an.
Was dachte der eigentlich von ihm? Offene Beziehung? Ausleben?
Dachte Julian wirklich, dass ihm ein Partner nicht reichte?
Benedikt war wie gelähmt, er wusste einfach nicht mehr, was er noch tun sollte.
"Wenn du nicht mit mir zusammen sein willst, okay... aber komm mir nicht mit sowas an."
Seine Stimme klang ungewollt scharf und kalt, er wollte nich so harsch sein, aber es ging nicht anders, er konnte es sich einfach nicht verkneifen.

Als Julian Bennis scharfen Ton hörte, zuckte er merklich zusammen. Das hatte er doch nicht gewollt. Aber es bestätigte ihn auch in seinem Vorhaben. Es war doch nichts passiert und sie stritten sich schon wieder. So konnte das doch nicht weitergehen.
"So mein ich das doch gar nicht!", ruderte er verzweifelt zurück und sah Benni flehend an. Er wollte doch nicht, dass er gleich wieder wütend auf ihn war. "Und... ich will doch mit dir zusammen sein. Aber wir streiten uns doch schon wieder und das kann so doch wirklich nicht weitergehen. Ich denke doch nur, dass du noch mehr Zeit brauchst, um zu wissen, was du wirklich willst."

Benni schüttelte fassungslos den Kopf.
"Sorry, aber das ist bescheuert. Auf so halbe Sachen lass ich mich nicht ein. Ganz oder gar nicht."
Er stand jetzt langsam auf, seine Knie zitterten und er merkte erst jetzt, wie sehr die ganze Situation ihn nicht mehr nur psychisch sondern auch körperlich belastete.
"Ich liebe dich."
Mehr sagte er nicht, überließ es jetzt Julian, was er damit anfangen wollte.
Langsam ging er zur Tür.
"Ich bin auf meinem Zimmer."
Er hielt das nicht mehr aus. Das alles lief so anders als es hätte sein sollen. Und er konnte das nicht. Es schmerzte ihn, dass Julian ihm überhaupt nichts mehr zutraute. Weder zu wissen, was er wollte, noch ihm treu sein zu können. Das hatte er ihm ja mehr als deutlich klargemacht.

"Nein, bitte bleib!", bat Julian schnell und stand auf, griff nach Bennis Hand und sah ihn flehend an. Er hatte das so doch nie gewollt. Vielleicht war dieser Streit auch ein Zeichen, dass sie noch nicht bereit für diese Beziehung waren. Aber er konnte Benni nicht aufgeben. Dazu liebte er ihn viel zu sehr.
Er wusste doch nicht mehr, was er machen sollte. Er wollte nur alles richtig machen, aber er erreichte immer genau das Gegenteil. Konnte er es Benni da wirklich verübeln, dass er ihn betrogen hatte? Vermutlich nicht. Er machte ja alles kaputt und es war alles seine Schuld.
"Ich will doch nur alles richtig machen", schluchzte Julian. "Und ich will mein Leben irgendwie wieder auf die Reihe bekommen! Nur weiß ich nicht, wie ich das machen soll."

Hilflos sah Benni ihn an.
Eine Hand an der Türklinge, die andere hatte Julian festgehalten, stand er da und wusste nicht mehr, was er machen sollte.
Julian hatte Recht, irgendwie...
Sie mussten beide ihr Leben auf die Reihe kriegen, die Frage war nur, wie sie das machen sollten.
"Und du glaubst, das ist alleine leichter als zu zweit?"
Er konnte sich das nicht so recht vorstellen. Warum sollten sie nicht gemeinsam versuchen, alles, was sie in den letzten Wochen angerichtet hatten, wegzuräumen und neu aufzubauen?

"Ich weiß es doch nicht", gab Julian zu. Er wusste nicht, was der richtige Weg war. Vielleicht schafften sie es alleine besser, vielleicht aber auch zu zweit. Er wusste nur, dass irgendetwas passieren musste. So konnten sie nicht weitermachen.
"Ich hab nur Angst, dass wir das nicht schaffen...", flüsterte er leise und sah Benni aus verweinten Augen an. "Und ich will dich nicht ganz verlieren."
Er konnte ohne Benni doch gar nicht mehr leben. Er hatte es versucht, aber war schon nach einem Tag grandios gescheitert und hatte dabei viele Menschen, die ihm wichtig waren, verletzt.

"Mir geht es doch genauso", murmelte Benni. Er hatte Angst, Julian ganz zu verlieren und er wusste, dass er das nicht überstehen würde. Er hatte Angst, ihn weiter zu verletzen.
Julian seh elendig aus und Benni fühlte sich nicht besser als er aussah.
Das Rasieren und die edlen Sachen anziehen hätte er sich wirklich sparen können.
Immer noch hielten sie einen gewissen Abstand, nur überbrückt durch ihre Hände. Sanft streichelte Benni über Julians Handrücken.
"Dr. Herman hat mir mal gesagt, dass es manchmal so ist. Manchmal kann man nicht mit, aber auch nicht ohne einander. Und meistens ist es einfacher, einen Weg zu finden, wie man ein gemeinsames Leben hinkriegt."

Aus großen Augen sah Julian Benni an. Das traf auf sie wohl gut zu. Sie konnten nicht miteinander. Aber noch viel weniger konnten sie ohne einander. Er liebte Benni so sehr, dass er ohne ihn nicht mehr leben konnte.
"Meinst du, wir finden da einen Weg?", fragte er unsicher.
Dieser Abstand zwischen ihnen fühlte sich auch nicht schön an. Außerdem brauchte Julian Benni jetzt einfach und wollte ihm endlich wieder nahe sein. Etwas zögerlich überbrückte er die Distanz zwischen ihnen, schlang die Arme um Benni und vergrub das Gesicht an seiner Schulter. Er fühlte sich noch etwas unbeholfen, aber Bennis Nähe strahlte auch eine Geborgenheit aus, die er vermisst hatte.

"Bestimmt", meinte Benni unsicher. Er wusste zwar auch nicht, wie, aber irgendwie mussten sie diesen Weg finden.
Erst war er etwas überfordert, als Julian so plötzlich seine Arme um ihn schlang. Aber dann entspannte er sich rasch und legte, wenn auch noch etwas zögerlich, seine Arme um Julian.
Vorsichtig strich er ihm durch die Haare.
"Vielleicht müssen wir einfach... mehr miteinander reden und weniger aneinander vorbei", meinte er mit einem schiefen Lächeln.

Julian nickte zustimmend. Vielleicht hätte sich einiges leichter geklärt werden können, wenn sie nur vernünftig miteinander geredet hätten.
Er ließ sich in die Umarmung fallen, konnte es mehr und mehr genießen. Er sog Bennis vertrauten Geruch auf, klammerte sich noch mehr an ihn und merkte, wie er langsam wieder ruhiger wurde. Immerhin hatte er auch aufgehört zu weinen.
Er hob seinen Kopf wieder an, sah Benni wieder direkt in die Augen.
"Ich liebe dich", flüsterte er, kam seinem Gesicht dann langsam näher, traute sich aber noch nicht, die letzten Zentimeter zu überbrücken.

Liebevoll strich Benni Julian über den Rücken. Er merkte, wie Julian sich langsam wieder beruhigte und auch er sammelte sich wieder, fühlte sich schon deutlich besser.
Julian kam ihm näher und Benni lächelte, legte eine Hand auf seine Wange.
"Ich dich auch", flüstert er und überbrückte dann das letzte Stück, küsste ihn liebevoll und zärtlich, wenn auch immer noch etwas zurückhaltend.
Sie würden das hinkriegen, da war Benni sich sicher. Sie liebten sich und es wäre ja wirklich schade, wenn sie da nicht irgendwie ein gemeinsames Leben schaffen würden.
Langsam schob er Julian zum Bett und bedeutete ihm, sich hinzusetzen. Dann griff er nach Julians Armband.

Julian seufzte glücklich in den Kuss. Es war sicher nicht alles von heute auf morgen wieder gut. Aber es war schon wieder besser und mit etwas Glück konnten sie es auch wirklich schaffen. Es würde viel Arbeit und Mühe bedeuten. Aber sie mussten es zumindest probieren.
Er ließ sich von Benni aufs Bett ziehen, setzte sich widerstandlos hin und hielt ihm seinen Arm hin. Er vermutete mal, dass Benni es ihm wieder ummachen wollte. Vielleicht wären sie ja gar nicht zusammen hier, wenn er das Armband nicht abgemacht hätte. Dann hätte Eli es niemals genauer angeschaut und er hätte sie weiter eingeredet, dass er hetero sein konnte.

Benni lächelte und ging vor Julian in die Hocke, griff nach seinem Handgelenk und legte ihm das Armband wieder um. Er hauchte einen liebevollen Kuss auf Julians Handrücken, dann sah er ihn ernst an.
"Wir schauen jetzt erst mal, dass wir das wieder hinkriegen. Und dann überlegst du dir das mit dem Wechseln noch mal."
Er setzte sich neben ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Schläfe.
Erst einmal würden sie die restliche Zeit, die sie noch hatten, nutzen, um ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. Sie würden das hinkriegen, da war Benni sich sicher, immerhin liebten sie sich und es wäre wirklich schade, wenn sie das nicht mehr hinbekommen würden.
Das war kein Ding der Unmöglichkeit.
"Vielleicht sollten wir mal ganz in Ruhe und ohne uns gegenseitig Vorwürfe zu machen über alles reden. So, dass nichts mehr zwischen uns steht", schlug er vor.