Hotelzimmer von Toni und Mario Gomez

Toni konnte nicht anders, als Marc einen Augenblick um seinen Freund zu beneiden. Gerne hätte er auch so jemanden an seiner Seite gehabt, den er selber aufrichtig liebte. Genau dort lag bei Jessi nämlich der Knackpunkt, er fühlte sich mittlerweile nur noch verlogen und falsch, wenn er ihr seine Liebe gestand und sie sich wie ein Paar verhielten.
"Danke", lächelte er den Dunkelhaarigen an und überlegte dann einen Moment.
Irgendwie fiel ihm gerade auch kein wirkliches Gesprächsthema ein und er beschloss, auf den guten alten Fußball zurückzugreifen.
"Interessierst du dich eigentlich für Fußball?", fragte er dann erst mal vorsichtig nach. Vielleicht tat er das ja auch nicht, da konnte man sich nie sicher sein.

Erleichtert stellte Daniel fest, dass Toni sich darauf einließ.
Das beruhigte sein eigenes Gewissen dann doch ziemlich.
"Ich schreib Andy nur noch kurz eine SMS", zog er schließlich sein Handy aus der Hosentasche. Der Torhüter würde das sicher verstehen. Außerdem kannte Andy ihn ja auch nicht anders.
Nachdem er das erledigt hatte, ließ Daniel sein Handy wieder verschwinden.
"Nein, überhaupt nicht", gab der Halbfranzose zu. "Welcher Verein sind also die Bauern?" Da hatte er nämlich absolut keine Ahnung. Er bekam ja gerade mal fünf Bundesligavereine auf die Reihe, wenn überhaupt.

"Andy?", fragte Toni völlig irritiert nach. Was hatte Daniel denn jetzt bitte mit ihrem Torwarttrainer zu tun? Hatte er das jetzt überhaupt richtig verstanden?
Es überraschte ihn ein wenig, dass der Dunkelhaarige keine Ahnung vom Fußball hatte. Das war als Spielerfreund doch schon leicht ungewöhnlich, aber Toni fand es auch irgendwie gut. Das zeigte zumindest, dass er nicht nur den Ruhm abgreifen wollte, wie er das von einigen aufgetakelten Tussen kannte, die mit seinen Mitspielern zusammen waren.
"Bayern München", erklärte er mit einem leichten Lächeln. Wenn das Daniel nichts sagte, wusste er auch nicht weiter. Es war ja kein Ding, wenn man Augsburg nicht kannte, aber Bayern war ja wirklich weltweit bekannt.

Daniel runzelte kurz die Stirn darüber, dass Toni so irritiert war, bis ihm einfiel, dass er wohl der einzige war, der seinen Freund Andy nannte.
"Ich mein Marc. Aber ich nenn ihn schon seit der Schulzeit Andy", erklärte er. Das hatte sich irgendwann einfach bei ihm eingebürgert. Als sie Freunde geworden waren, hatte er so viele Marcs gekannt, dass er den Torhüter kurzerhand in Andy umbenannt hatte, zumindest für ihn.
"Ah, der Verein, der mindestens alle zwei Jahre Meister wird."
Das hatte selbst Daniel mitbekommen. Wäre auch schwierig geworden, daran vorbei zu kommen.

"Ah, okay", murmelte Toni und bemühte sich wirklich, nicht schon wieder verlegen zu werden. Seine Nachfrage war eigentlich nicht wirklich dumm gewesen, da kam schließlich kein Mensch drauf.
"Dann kennt ihr euch ja schon richtig lange", merkte er leicht erstaunt an. Er hatte sich immer nie vorstellen können, als Fußballer so lange Zeit eine Beziehung versteckt vor der Öffentlichkeit führen zu müssen. Scheinbar hatte Marc das jedoch geschafft und das machte Toni schon ein wenig Mut.
Bei Daniels Kommentar musste er tatsächlich kurz grinsen.
"Genau der. Ich nehme mal an, du hältst normalerweise zu Gladbach?" Wäre ja logisch.

"Ja, 6 Jahre bestimmt." Wenn nicht sogar noch länger. Aber das war schon so ewig her, da konnte sich Daniel nicht mehr genau dran erinnern.
Das einzige, was er wusste, war, dass er Andy von Anfang an, toll gefunden hatte und sie danach 5 schöne Jahre zusammen verbracht hatten.
"Mir ist das echt egal", zuckte Daniel mit den Schultern.

Sechs Jahre waren eine wirklich lange Zeit, vor allem wenn man bedachte, wie jung der Torhüter noch war. Letzte Saison hatte er ja noch U21 gespielt, wenn Toni sich richtig erinnerte, wovon er eigentlich ausging. Die U-Nationalmannschaften verfolgte er doch mit einem gewissen Interesse.
"Und für was interessierst du dich stattdessen?", hakte er nach, um das Gespräch nicht komplett im Sande verlaufen zu lassen. Vielleicht kamen sie bei etwas anderem auf einen Nenner.

"Naja, ich lese viel, gehe gerne ins Fitnessstudio und shoppen." Das könnte er hier eigentlich auch mal machen. Vielleicht könnte er Andy ja dazu überreden, mit ihm eine Shopping Tour zu machen. Dazu musste Daniel viel Überzeugungsarbeit leisten, das wusste er. Aber es schadete sicher nicht, auch den Torhüter mal wieder neu einzukleiden.
"Und du? Neben dem Fußball gibt's doch sicher auch was."

Mit Daniels Hobbys konnte er auch nicht so wirklich viel anfangen. Shoppen gehen war mal so gar nicht seines, was der gemeinsame Ausflug mit Mario nur umso mehr gezeigt hatte.
"Ich habe einen Sohn und zwei Hunde, viel Zeit bleibt da nicht. Und ansonsten spiele ich gerne mal Poker oder Tennis", erzählte Toni von seinen eigenen Interessen. So wirklich viel Freizeit hatte er sowieso nicht, immerhin spielte Bayern in allen drei Wettbewerben regelmäßig mit und dazu kam noch die Nationalmannschaft.

"Du hast einen Sohn?", fragte Daniel nach. Nicht, weil er es nicht verstanden hatte, sondern weil er Toni einfach noch für sehr jung hielt. Aber da konnte er sich natürlich auch täuschen.
"Wie alt ist er denn? Und wie heißt er?"
Es interessierte ihn wirklich. Eine Familie zu haben, war doch das Größte auf Erden. Daniel hätte das auch gerne irgendwann.

"Ja", bestätigte Toni und fragte sich insgeheim schon, ob er so wirkte, als würde er keine Frau abbekommen. Warum sonst sollte Daniel nochmal nachfragen?
"Er heißt Simon und ist jetzt zehn Monate alt", erzählte er und konnte sich das glückliche Lächeln nicht verkneifen, das sich immer auf sein Gesicht schlich, wenn er von Simon redete. Er liebte seinen Sohn einfach abgöttisch und er würde auch alles für ihn tun.

"Also noch ganz klein", stellte Daniel andächtig fest.
Als seine Cousine Mutter geworden war, war die ganze Familie zu Besuch gewesen. Da hatte er die Kleine auch mal halten dürfen.
Das war schon ein besonderer Moment gewesen.
"Ist bestimmt toll, eine eigene, kleine Familie zu haben."

Daniel schien Kinder wirklich zu mögen und Toni fragte sich einen Moment, ob nicht diesmal der Dunkelhaarige sich sogar an seine Stelle wünschte. Das war ein so seltsamer Gedanke, dass er ihn schnell wieder verwarf. Auf ihn musste niemand eifersüchtig sein wegen was auch immer.
"Ja, ist es", nickte er auf Daniels Feststellung hin versonnen, auch wenn sie ja eigentlich nicht mal mehr wirklich eine Familie waren. Immerhin waren zwischen Jessi und ihm keine Gefühle mehr, zumindest von seiner Seite aus, und das machte dann doch einen großen Teil seiner Familienvorstellung aus. Er verkniff sich die Frage, wie es diesbezüglich bei Daniel stand. Der war schließlich schwul und hatte kaum die Möglichkeiten, die Toni hatte. Vielleicht würde er mit Nachfragen nur noch in eventuellen Wunden rumstochern und das wollte er nun nicht.

SMS

Ist okay, komm dich dann abholen, wenn ich fertig bin

Auf Tonis Zügen breitete sich ein strahlendes Lächeln aus. Daniel selbst konnte sich ja gar nicht vorstellen, wie es war, Vater zu sein. Und vermutlich würde er das sowieso nie herausfinden.
Zum Glück unterbrach ihn sein piependes Handy in seinen Gedanken.
Er lächelte Toni kurz entschuldigend an, bevor er das Telefon aus seiner Tasche zog. Eine Nachricht von Andy.
Hoffentlich war Tonis Zimmernachbar da, bevor Andy ihn abholen kam. Schließlich steckte Daniel sein Handy wieder weg.
"Wie ist denn das überhaupt passiert mit deiner Verletzung?", wechselte der Halbfranzose das Thema, bevor es so erdrückend still zwischen ihnen wurde.

Ein Handy meldete sich und Toni rechnete schon damit, dass er keinen Moment später alleine gelassen wurde, allerdings schien Daniel echt ein verantwortungsbewusster Mensch zu sein. Vielleicht wollte Marc ihn ja aber auch nur nicht sehen oder es war jemand anderes gewesen.
Dass Daniel dann nach seiner Verletzung fragte, brachte ihn dazu, mal wieder eine rote Gesichtsfarbe anzunehmen.
"Beim Training", mogelte er ein bisschen bei der Beantwortung ebenjener Frage. Er hatte sicher keine Lust zu erzählen, dass er da eigentlich auf einem guten Weg gewesen war und es sich dann durch Dummheit ruiniert hatte.

Daniel musste zugeben, dass es ihn wunderte, dass es Toni gewissermaßen peinlich war, wie er sich die Verletzung zugezogen hatte. Zumindest deutete er seine rote Gesichtsfarbe so.
"Kann jedem mal passieren", zuckte Daniel mit den Schultern. "Aber ist ganz schön mies, gerade zur WM."
Und die Verletzung generell, für einen Sportler besonders. Andy hatte immer mieseste Laune, wenn er verletzt war.

Die Beschwichtigung war lieb gemeint, aber wirklich besser fühlte Toni sich nicht. Es war sicher den wenigsten passiert, dass sie eine Zerrung verschlimmert hatten, weil sie vor ihrer Schwester weggerannt waren. Wie Panne das überhaupt klang, wenn er das alleine schon gedanklich formulierte, er wollte es nie im Leben aussprechen müssen, das würde er vor lauter Scham nicht überleben.
"Ja, ist etwas ungünstig", bestätigte er und zuckte mit den Schultern. Er fühlte sich irgendwie unwohl, sodass er sicher nicht damit anfangen würde, einen Fast-Fremden mit seinen Sorgen und Problemen vollzuheulen.

cf: Speisesaal

Als Mario seine Zimmertür erreichte, musste er zunächst umständlich die Zimmerkarte aus seiner Hosentasche kramen, was mit dem Tablett in der Hand doch eine recht komplizierte Angelegenheit war. Irgendwann hatte er es dann aber geschafft und erleichtert öffnete er die Tür.
Erstaunt blickte er auf den dunkelhaarigen Kerl, der im Zimmer neben Tonis Bett saß. Wer war das denn bitte jetzt? So besonders gut gefiel ihm der zumindest nicht, erstens machten ihn fremde Männer in Tonis Nähe generell skeptisch und zweitens sah der ihm auch ein bisschen zu gut aus.
Mit derselben gleichgültigen Miene, die er sich die ganze Zeit bewahrt hatte, stellte er das Tablett auf Tonis Nachttisch ab.
"Hab dir was mitgebracht", erklärte er überflüssigerweise und sah den anderen Kerl dann einen Moment fragend an. Er wüsste schon gerne, wer das jetzt war.

Natürlich war Toni unglücklich darüber, das war ja ganz klar.
Daniel wollte ihm gerade antworten, als die Tür aufging und ein dunkelhaariger Mann den Raum betrat. Er hatte ein Tablett dabei, deswegen tippte der Halbfranzose darauf, dass das wohl Tonis Zimmerpartner sein musste.
Auf seinen fragenden Blick hin stand Daniel auf und streckte ihm seine Hand entgegen. "Hi, ich bin Daniel, ein Freund von And...ähm Marc. Wir sind hier vorhin versehentlich reingeplatzt."

Mario ergriff die Hand, aber er mochte den Kerl jetzt schon nicht besonders.
Einen Moment blickte er ihn noch durchdringend an, während er überlegte, ob er ihn das einfach fragen durfte, entschied sich dann aber doch dafür.
"Ein Freund oder sein Freund?", erkundigte er sich. Weshalb sollte der auch sonst hier rumturnen, die wenigsten Kumpel hatten Lust, mal eben so nach Brasilien zu fahren. Obwohl er dann auch nicht verstand, warum der noch hier bei Toni rumhing.
"Ich heiße Mario", stellte er sich ebenfalls vor, auch wenn sein Name dem eigentlich bekannt sein sollte, aber man wusste ja nie.

Diese offensive Herangehensweise von Mario war Daniel doch etwas unangenehm.
Aber scheinbar hatte Andy Recht. Jeder hier in diesem Hotel schien zu wissen, dass der Torhüter schwul war. Deswegen konnte er es genauso gut zugeben.
"Sein Freund", meinte Daniel also ruhig.
Schließlich zog er seine Hand wieder zurück.
"Ich glaube, ich werde dann auch nicht mehr länger gebraucht. Ihr wisst nicht zufällig, wo Andys Zimmer ist?"

Wie erwartet war Daniel wirklich mit den Torhüter liiert. Eigentlich müsste ihn das ja jetzt in Bezug auf Toni beruhigen, leider kannte er jedoch Marcs Einstellung zum Thema Treue, weshalb ihm das wenig weiterhalf.
Auf die Frage hin zuckte er nur mit den Schultern. Er hatte keine Ahnung, wo der Torwarttrainer sein Zimmer hatte. Mit dem hatte er schließlich nichts zu tun. Dass der Kerl sich verzog, klang jedoch wie eine gute Idee.
"Frag doch deinen Freund", schlug er vor, da auch Toni nur ratlos aus der Wäsche schaute. Warum der das nicht einfach vorher gemacht hatte, erschloss sich Mario nicht.

Hier wussten ja wirklich alle sehr gut Bescheid.
Daniel wäre ja ohne zu zögern noch länger geblieben, wenn er sich in Marios Nähe nicht so dermaßen unwohl gefühlt hätte.
"Der wollte mich ja hier abholen. Aber wenn ich wüsste, wo sein Zimmer wäre, dann bräuchte er das nicht."
Diesmal lag sein Blick eher auf Toni.

Langsam kam Mario nicht mehr mit. Der wusste wohl selber nicht so ganz, wohin er wollte, anders konnte Mario sich diesen Müll nicht erklären.
Aber war ja nicht sein Ding, wenn der zu dumm war. Trotzdem wollte er Daniel jetzt doch hier raus haben, der nervte ihn unwahrscheinlich.
"Treppe hoch und dann links", erklärte er ihm den Weg zu Marcs Zimmer. Hoffentlich zog der jetzt auch wirklich ab, Mario würde noch ganz bescheuert werden, wenn der sich länger in seiner Nähe aufhielt.