Die Bar

"Da kann ich mich auch um ihn kümmern. Aufgestellt werd ich nämlich auch nicht."
Da war er sich dann doch sehr sicher. Nie im Leben würde er heute spielen. Weil Löw und der DFB ihn nicht mochten. Und dass es in der Nationalelf nach Sympathien ging, war ja wohl mittlerweile jedem klar. Mit ein paar Ausnahmen vielleicht.
"Unterernährst siehst du auch nicht aus. Ich denk, sonst könnte man den Job nicht packen."

"Quatsch, du wirst eher aufgestellt, als ich!", redete er sich weiterhin schlecht. Gott, wenn Didi ihn jetzt sehen könnte. Apropos, eigentlich musste er ja auch noch zu dem...
Er zuckte lediglich mit den Schultern. "Da bist du einer der Wenigen, die das denken... Meine Mama mästet mich immer, wenn ich daheim bin, weil sie denkt, ich wäre magersüchtig."

"Das vergiss mal ganz schnell wieder. Du wurdest wenigstens nicht vom DFB gefickt. Und zwar auf die Art und Weise, die ich nicht gerne hab."
Also hatte Leo bessere Chancen. Auch wenn Jule der bessere Fußballer war. Mochte arrogant klingen, war aber seine Einschätzung. Aber Leo hätte einen Einsatz sicherlich verdient. Er war ja immer beim Training und strengte sich an.
"Löw wollte mich ja nichtmal aufstellen, als ich mich noch richtig reingehängt hab. Dann wird er das jetzt erst recht nicht tun."
Er seufzte schwer. Eigentlich würde er schon gerne spielen. Aber er würde es sicherlich nicht tun.
"Mütter sind ja auch so. Meine war auch gerne mal so."

"Aber... Moment?! Gefickt?! Wer... wer denn? Aber nicht Jogi, oder?" Er sah ihn vollkommen geschockt an und schluckte. Bitte nicht! "Er muss aber irgendwann einsehen, dass er die jungen Spieler auch mal spielen lassen muss. Ich meine... nichts gegen Miro, oder Phil, oder sonst wen... Das sind alles Top-Spieler, die ihre Leistung bringen, aber... irgendwann können die halt nicht mehr spielen und dann kommen wir... vollkommen ohen Spielpraxis. Das bringt doch nichts!"
Er seufzte und strich über seinen Bauch. "Joah... aber sie ist echt übel. Ich sage ihr immer, dass ich esse, aber sie glaubt mir nicht. Sie beauftragt immer Kevin, mich im Vapiano mit Pizza oder Pasta vollzustopfen, obwohl mir da am Besten immer noch der Salat schmeckt. Und ich meine, Kevin ist auch so n Spargeltarzan, also bitte!"

"Nicht wörtlich genommen!" Als würde er sich von Jogi oder sonst wem ficken lassen. Das war ekelig. "Ich meine nur, dass mir der DFB sehr unsanft in den Rücken gefallen ist. Mein Interview war auch nicht toll, aber ich wollte es doch richtigstellen und besänftigen. Da muss man mich nicht als Lügner darstellen."
Das regte ihn noch immer auf und Mario nervte auch tierisch. Der war ja schuld daran. Er müsste ihn mal fragen, ob es nicht unangenehm gewesen war, dem DFB so tief in den Arsch zu kriechen.
"Ich hab ja zwei Einsätze bisher. Aber da hab ich schon gemerkt, dass ich hier nicht eingespielt bin. Aber wenn das dieses Jahr mit dem Titel nichts wird, ist Jogi eh weg."
Skeptisch sah Jule zu Leo. Was war seine Mutter denn für ein Kontrollfreak?
"Also das ist echt übertrieben. Wenn du lieber den Salat willst, ist das doch deine Sache. Außerdem sind das auch riesige Portionen da."

Leo atmete erleichtert auf. "Gut... Aber.. na ja, das ist auch nicht so gut... Ich hoffe, dass du das irgendwann doch noch geregelt bekommst." Er seufzte leise. "Das ist echt wenig... Ich meine... eigentlich mag ich Jogi als Trainer, aber vielleicht würde ein Jüngerer doch etwas mehr frischen Wind reinbringen und uns auch mal Spielpraxis ermöglichen..." Er zuckte missmutig mit den Schultern, auch wenn Jule natürlich recht hatte. "Ja... und meistens ist mir nach der Pasta einfach so schlecht, weil ich einfach immer zum aufessen gezwungen werde..."

"Unter Jogi werde ich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr spielen. Und ich mag ihn als Trainer auch nicht. Die Abwehr ist seit Jahren nur noch ein aufgeschreckter Hühnerhaufen und jeder außer ihm checkt das auch. Mir egal, wer danach Trainer werden könnte. Ich will nur, dass die Mannschaft hier wieder funktioniert."
Während des Turniers würde das wohl nichts mehr werden. Vielleicht danach wieder, wenn man alles mal umkrempeln konnte.
"Die Pasta da schaff ich auch nicht ganz. Und bevor dir am Ende schlecht ist, lass doch die Hälfte stehen."

Leo sah sich erschrocken um, als Jule so schlecht über ihren aktuellen Trainer redete. Hoffentlich hörte das niemand, sonst könnten sie die Startelf gleich vergessen.
"Hmm... ja... vielleicht kommt ja bald jemand Anderes..." Er seufzte und fragte sich, wieso nicht alle so denken konnten, wie Jule. "Ja, das denke ich ja auch. Aber, wenn ich die Hälfte stehen lasse, kommt gleich was von wegen, ich sei zu dünn, würde nichts essen und wäre Schuld daran, dass in Afrika die Kinder hungern."

Julian sah sich automatisch ebenfalls um, aber außer ihnen war niemand hier.
"Jogi muss nur mal ein bisschend das Internet durchstöbern und würde merken, dass ich mit der Meinung nicht alleine dastehe."
Nur der DFB stand noch hinter Löw. Aber noch ein titelloses Turnier könnten sie ihm nicht durchgehen lassen.
"Lass dir so nen Scheiß doch nicht einreden! Solang du noch Normalgewicht hast, kannst du essen, wie du willst."

"Hm... ich schätze, der weiß das bestimmt schon, aber er will seinen Job halt behalten", murmelte er nachdenklich.
"Das ist es ja... der Teamarzt sagt, ich kratze gerade mal an der Untergrenze des Normalgewichts. Bei meiner Muskelmasse müsste ich um die fünf Kilo mehr haben. Ich bin ja auch schon auf spezielle Ernährung umgestellt, aber es setzt einfach nichts an..."

Jule brummte nur. Über Jogi wollte er nicht weiter reden. Der nervte eh nur.
"Es gibt eben so Leute, die sind einfach dünn und können fressen wie ein Mähdrescher und nehmen trotzdem nicht zu. Aber solang du dich gesund fühlst, ist es doch in Ordnung."
Da sah er kein Problem. War ja nicht so, dass bei Leo alle Knochen zu sehen waren.

"Ja, ich fühle mich wohl. Nur ein bisschen klein, aber das kann ich sowieso nicht ändern", murmelte er und seufzte. "Ich müsste eigentlich auch zu Didi, aber ich hab gar keine Lust auf ihn. Außerdem hab ich die doofen Karten oben gelassen." Andererseits wollte er nicht schon wieder Ärger haben, also sollte er wohl lieber hingehen.

"Kannst ja ne Beinverlängerung machen", schlug Jule scherzhaft vor. Heutzutage konnte man ja alles machen. War nur die Frage, ob es so klug wäre, wenn Leo sich die Beine brechen lassen würde, um sie zu verlängern.
"Was musst du denn bei Didi machen?"
Vermutlich ging es um die Sache mit Marc. Didi war wohl viel beschäftigt.

Leo sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an und schüttelte den Kopf. "Haha..." Er scharrte unruhig mit den Füßen, irgendwie war das doof mit Didi... "Na ja... er will sicher gehen, dass ich keine Angst mehr vor Marco und Marc habe und mir mehr zutraue, weil er denkt, dass mein Selbstbewusstsein zu klein ist. Aber.. ich meine, ich hab schon voll die große Klappe und hatte deswegen auch schon zum Beispiel mit Mario voll Streit... und da will der das noch mehr pushen?"

"Aber ne große Klappe ist auch ne andere Art von Selbstbewusstsein als vor Spielen oder so. Vielleicht meint er eher das?"
Er wusste ja nicht, wie selbstsicher Leo da war. Dazu kannte er ihn nicht gut genug. Aber er hatte ja vorhin gehört, wie sicher Leo war, dass er nicht spielen würde.
Julian war inzwischen wohl auch unsicher. Anders als früher. Aber langsam wurde es besser und er wurde wieder fröhlicher und auch selbstsicherer.

"Ja... da hast du recht... nur... ich versau es mir mit meiner großen Klappe bei den Jungs und bin unsicher, was mein Können angeht. Echt ne super Kombination", murmelte er und warf einen Blick auf sein Handy. Immerhin hatte Manu sich nicht gemeldet, das wertete er mal als ein gutes Zeichen und er hoffte, dass der Torhüter noch schlief.

"Naja, aber das mit der Unsicherheit will Didi ja ändern. Und wir sind hier alle erwachsen, da sollten die anderen mit ner großen Klappe klarkommen."
War zumindest seine Meinung. In ihrem Alter konnte man schon Kontra geben.
Er sah zu Leo, als der sein Handy musterte.
"Musst du los?", fragte er. Leo wollte ja wohl noch zu Didi.

"Ja... ja du hast ja recht... und du kommst ja auch damit klar..." Er zuckte missmutig mit seinen Schultern und seufzte. "Ich sollte wohl los, ja... aber vorher muss ich noch mal nach Manu sehen und meine Karteikarten zusammensuchen, die fliegen da irgendwo rum..."

"Ich sollte wohl auch nach Benni sehen. Dem gings vorhin auch nicht so gut."
Sie hatten ja eigentlich auch alles geklärt. Er wusste, was Leo passiert war und auch, dass es ihm damit eigentlich wieder gut ging. Wenigstens kam er klar.
"Und wenn du darüber reden willst... also über das mit Marc oder Marco... sag einfach bescheid."

"Ja, mach das... nicht, dass einer von denen noch aufm Boden liegt und wir ihnen nicht helfen...", murmelte er und lächelte. "Danke, Jule... Wirklich... Ich werde bestimmt mal auf dich zurückkommen, wenn Manu oder Kevin von mir zu Tode genervt sind..." Er schob sein Handy wieder in die Hosentasche zurück und ging auf den Ausgang zu. "Und du kannst.. na ja, ich weiß, dass wir uns nicht gut kennen, aber du kannst auch immer mit mir reden, wenn du mal ne unparteiische Kraft brauchst, ja?"

"Okay, man sieht sich", verabschiedete er sich von Leo, blieb aber noch eine Weile an der Bar sitzen. Auch wenn er langsam zurück aufs Zimmer sollte. Kam sicherlich nicht gut, wenn er den ganzen Tag lang hier im Schalkedress rumlief. Aber solange er nicht in den Sachen spielte, sah er darin auch kein großes Problem. Richtiges Training war das vorhin auch nicht gewesen.
"Viel Glück bei Manu und Didi."

"Oh.. okay..." Er lächelte leicht, als Jule anscheinend noch alleine an der Bar sitzen bleiben wollte. "Dann... bis dann..." Er schlurfte wenig motiviert aus der Bar, beschleunigte seine Schritte aber, als er sich erinnerte, dass er Manuel bereits viel zu lange alleine gelassen hatte.

tbc: Zimmer von Leo & Mo

Julian trank noch ein Wasser, ging dann doch aus der Bar. Er wollte wenigstens nach Benni sehen, wie es ihm ging. Hoffentlich war er bis zum Spiel wieder fit. Zu zweit war es auf der Bank eben doch schöner.

tbc: Jules Zimmer