Ich bin ein Star, holt mich hier raus

Zufrieden trampelte Marco durch das Wurzel- und Pflanzengeflecht, während er ein munteres, kleines Liedchen summte. Um ihn herum existierte nichts außer die Geräusche der Natur, was Marco ungemein entspannte.
Er hatte kaum überlegen müssen, als der TV-Sender ihn angeworben hatte, und sofort seine Unterschrift unter den Vertrag gesetzt. Zwei Prominente allein im Dschungel. Was wie ein Abklatsch vom Dschungelcamp klang, war auch einer, bis auf den Unterschied, dass sie eben nur zu zweit waren. Marco liebte das Dschungelcamp, hatte er schon immer und würde er auch immer.
Um wen es sich bei dem anderen Prominenten handelte, wusste er noch nicht. Sie waren jeweils mit verschiedenen Hubschraubern raus geflogen wurden, hatten beide eine Karte bekommen und mussten sich jetzt von unterschiedlichen Seiten zum Lager vorschlagen, was ihm auch bestens gelang. Marco hatte neben der Karte auch einen Kompass bekommen und für die Not ein Funkgerät.
Letzteres erwies sich als sinnlos, als Marco das Gestrüpp wegdrückt und plötzlich in dem Lager stand. Freunde strahlend stellte er fest, dass er der erste war, während er seine Sachen auf die best platzierte Liege schmiss und sich umsah.

Marc fragte sich gerade wirklich, was ihn da geritten hatte, dem hier zuzustimmen. Sein Berater hatte auf ihn eingeredet, bis Marc irgendwann sein Einverständnis gegeben hatte, an diesem Projekt teilzunehmen. Und jetzt stapfte er durch den dämlichen Dschungel und schaffte es selbstverständlich nicht, dieser hirnlosen und völlig verwirrenden Karte zu folgen. Orientierung war einfach nichts seines und wenn er dann noch nicht mal Straßennamen hatte, an denen er sich halbwegs zurechtfand, war er ganz verloren. So trottete er einfach genervt durch die Gegend und ärgerte sich ein Loch in den Bauch, dass ihn die ganze Zeit dämliche Kameras im Blick hatten. Wie peinlich kam das bitte? Nachdem er gefühlt zehn Mal im Kreis gelaufen war und es mittlerweile schon knapp an der Grenze zur kompletten Dunkelheit war, erreichte auch Marc das Lager, wo ihn bereits ein anderer Spieler erwartete, was Marc nicht gerade in Begeisterungsstürme ausbrechen ließ. Sie hatten erst vor zwei Wochen gegeneinander gespielt und da hatte der Kerl, den er jetzt vor der Nase hatte, seinen Freund Patrick richtig heftig umgemäht, sodass der immer noch kein Sport machen konnte.
"Nette Liege", merkte Marc an, als er direkt neben der zu stehen kam, auf die Marco seine Sachen schon gelegt hatte. Aber wer wäre er denn, wenn er sich davon aufhalten ließ? Mit einer schnellen Bewegung flog der Rucksack des Schalkers auf die zweite Lagerstätte und Marc ließ sich zufrieden auf sein neu gewonnenes Bett sinken. Viel besser.

Marco inspizierte gerade die Feuerstelle, als der Dschungel sich teilte und ein gewisser Torhüter sich offenbarte.
Ein erfreutes Lächeln breitete sich auf Marcos Lippen aus. Er mochte den Gladbacher, soweit er das denn beurteilen konnte. Sie kannten sich zwar nicht sonderlich, aber bei jeder Begegnung war er ihm bisher wie ein sympatischer Kerl vorgekommen.
"Hey Marc", strahlte er ihn deswegen auch gleich an und trottete zurück zu den Liegen, wo Marc sich seine geschnappt hatte und Marco nun die andere nehmen musste. Aber das machte ihm ja nichts aus. Marc würde schon einen guten Grund haben, beispielsweise einen empfindlichen Rücken, oder einen schlechten Schlaf, weswegen Marco ihm den besseren Platz gönnte. Es war ohnehin nicht sonderlich nett von ihm gewesen, sich darauf einzunisten.
"Ich nehm dann die andere", stellte er noch einmal laut fest, damit die Kameras seine freundliche Ader auffassen konnten und streckte Marc dann kameradschaftlich die Hand entgegen.

Was lief denn bei dem Kerl schief? Nahm der irgendwelche Pillen zur Beruhigung oder wieso juckte es ihn nicht mal, dass Marc ihm soeben die Liege entwendet hatte? Nun gut, war ja eigentlich nicht schlecht, dann würde keine Kamera es einfangen, wenn sie sich stritten. Stattdessen waren sie doch liebe, nette Fußballer, die sich richtig gern hatten. Genau!
Mit einem plötzlichen freundlichen Lächeln auf den Lippen ergriff er ebenfalls die Hand des anderen und zog ihn dann an eben dieser kurz entschlossen in seine Arme.
"Hey Marco. Schönen Gruß von Patrick übrigens, dem geht's blendend." Dass Marc dabei etwas zu doll zudrückte, würde wohl keine Kamera der Welt bemerken können. Mit Zahnpastalächeln im Gesicht löste Marc sich wieder von Marco und fing dann an, seine Sachen aus dem Rucksack zu sortieren. Wie er diese dämlichen Klamotten hier jetzt schon hasste. Wo waren bitte die Markensachen? Das konnte doch nicht gut sein, in solchen hässlichen Dingern rumzulaufen.

Marc zog ihn an sich und drückte ihn etwas doller, als Marco es gewohnt war, aber das störte ihn nicht. Marc war vermutlich einfach nur ei besonders herzlicher Mensch. Dass er ihm dann auch gleich sagte, dass es Patrick scheinbar besser zu gehen schien, fand Marco auch super. Er hatte echt Bedenken gehabt, weil er den anderen beim Spiel böse erwischt hatte, aber offenbar war es ja nicht so schlimm.
"Freut mich", lächelte er also und tat es dann Marc gleich, was das Auspacken anging. Zu aller erst holte er aber seine beiden privaten Gegenstände raus. Marco hatte sich für ein Buch seines Lieblingsdichters und die alte Uhr seiner Oma entschieden. Ersteres, um sich die Zeit zu vertreiben und das andere, damit er eine Erinnerung an zuhause hatte.

Manchmal merkte Marc echt zu deutlich, dass er leider Gottes zu den intelligenteren Fußballern gehörte. Neutrale Beobachter würden jetzt anmerken, dass das nicht unbedingt für die Berufsgruppe der Fußballer sprach, aber Marc selber war einfach nur genervt von so viel Dummheit. Wie konnte man eine solche offensichtlich ironische Aussage nicht verstehen? Die Antwort war ganz einfach: Weil man zu dumm war... Mit etwas mehr Kraft als notwendig warf Marc den Rucksack zurück auf die Liege. Anders konnte er sich hier ja nicht abreagieren.
Nachdem er alles fertig ausgeräumt hatte, wandte er sich doch wieder an den einzigen Menschen, mit dem er gerade reden konnte. Wie deprimierend.
"Hast du ne Ahnung, ob's hier heut noch was zu essen gibt?", erkundigte er sich.

Marco war gerade dabei sich umzuziehen - er hatte die Situation eben doch ein wenig falsch eingeschätzt und sich zu warm angezogen - als Marc ihn ansprach. Sich mit seinem Top abmühend, drehte er sich zu dem Gladbacher um und zuckte nach kurzem Überlegen mit den Schultern.
"Ich denke doch. Als würden die uns hier hungern lassen", meinte er nur zuversichtlich, bevor er sich auf seiner Liege schmiss und sich gemütlich hin und her rekelte, bis er nahezu perfekt lag.
"Die Liegen hier sind echt bequem", merkte er zufrieden an.
Bis jetzt war er echt zufrieden, wie die ganze Sache lief. Er hatte weder etwas am Camp, noch am Campmitbewohner auszusetzen und sowieso hatte er keine Bedenken, was die nächste Zeit anging. Dass war ja fast besser als Urlaub.

Skeptisch beobachtete Marc die Verrenkungen seines Campmitbewohners, als der irgendwas mit seinem Oberteil veranstaltete. Außerdem schien der die Sendung noch niemals gesehen zu haben, denn er wusste mal so rein gar nicht, dass genau das die Spezialität des RTL-Teams war. Die Campinsassen zu quälen und hungern zu lassen.
"Na dann", murmelte er leise und konnte auch dessen Enthusiasmus bezüglich der Liegen kein Stück nachvollziehen. Nahm der hier irgendwelche Dinge wahr, die Marc nicht mitbekam? Seine Drogentheorie schien ihm immer wahrscheinlicher.
Deshalb würdigte er den Kommentar auch keiner allzu bemerkenswerten Reaktion, was auch daran lag, dass just in diesem Moment ein Paket vom Himmel nach unten gelassen wurde.

Marc schien von Marcos Zuversicht überzeugt zu sein, was den Schalker wiederum ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Er wusste schon jetzt, dass sie sicher viel Spaß miteinander haben würden.
Er träumte ein wenig vor sich hin, als plötzlich ein Paket vom Himmel fiel und Marcos Aufmerksamkeit auf sich zog. Euphorisch sprang er auch gleich auf und wartete geduldig, bis das Paket in Reichweite war, sodass er es ganz herunter ziehen und zu Marc tragen konnte.
Da angekommen, setzte er sich auf seine Liege und sah Marc gespannt an. "Willst du oder soll ich? Ching Chang Chong?" So hatte er das jedenfalls immer mit seinem Bruder geregelt, wenn sie beide etwas tun wollten. So lösten sich die Probleme immer streitlos.

Was für ein Trottel, Marc kam da mittlerweile überhaupt nicht mehr mit klar. Dass die Dummheit eines Menschen so offensichtlich sein konnte, war ihm bisher niemals aufgefallen. Aber vermutlich war der Kerl hier einfach ein Spezialfall.
"Mach du ruhig", lächelte er ihn einfach nur an. Es war ja nicht so, dass Marc sich darum riss, hier alle Arbeit zu machen. Wenn der das Zeug auspacken wollte, durfte er das gerne tun. Da würden sie sich wohl eher nicht in die Quere kommen.
Und bevor er hier irgendwelche Spielchen spielte, deren Sinn ihm gerade völlig schleierhaft war, verzichtete er lieber auf alles.

Erfreut, dass Marc ihn großzügig machen ließ, begann er das Paket zu öffnen, wo auch gleich einige Dosen mit Reis und Bohnen hervorkamen. Ein Zettel war auch noch beigelegt.
"Hier sieht ihr eure Nahrung für die folgenden zwei Wochen, teilt sie euch ein. Jeden Abend bekommt ihr in einer Dschungelprüfung die Chance, euch zu beweisen und euch ein Abendessen zu erspielen. Viel Spaß und Erfolg.", las Marco vor. Als er Marc wieder ansah, war er allerdings nicht mehr so glücklich wie vor dem Öffnen des Paketes. "Reis und Bohnen?", fragte er und verzog sein Gesicht. Das stimmte ihn keineswegs zufrieden, auch wenn die Aussicht auf das Abendessen schon wieder leise Hoffnungen in Marco weckten. Sie würden schon nicht verhungern.

Die Lieferung war das Übliche und Marc musste leicht grinsen, als er das verzweifelte Gesicht seines Mitcampers sah.
"Mehr gibt's hier normal nicht", erklärte er ihm freundlich, wie er nun einmal war. Wenn man die Sendung mal gesehen hätte, wüsste man das auch. Allerdings war es wohl zu viel verlangt, dass er allen Ernstes erwartete, man würde sich eine Sendung anschauen, an der man teilnehmen wollte. Wer kam denn überhaupt auf solche Gedanken, das war ja nun wirklich der absolute Bullshit.
"Kannst du kochen?", schob er auch direkt hinterher, um hier mal eben die Aufgabenverteilung zu klären. Denn obwohl Marc kochen konnte, sah er es nicht ein, alles alleine zu machen. Das musste er auf dem Fußballfeld oft genug, wenn seine Abwehr mal wieder versagte.

Marco kannte diese Show, keine Frage. Er hatte sie oft genug gesehen und oft genug geliebt. Allerdings war dies hier ein neues Format, weswegen er angenommen hatte, dass es auch eine gewisse Regelverbesserung geben würde. Da hatte er aber wohl falsch gedacht. Marco konnte sich allerdings leise an einen Bericht zurück erinnern, indem erzählt wurden war, wie sehr eine solche Mahlzeit einem Menschen schaden konnte.
Auf Marcs Frage hin, verzog er nur wieder sein Gesicht. Seine anfänglich gute Laune, war mittlerweile ein wenig verdampft und machte nun Platz für seine Enttäuschung.
"Mit Reis und Bohnen kann man ja schlecht etwas falsch machen", erwiderte er geknickt, bevor er noch ergänzte, "Aber eigentlich bin ich ein guter Koch!" Er musste halt nur schauen, ob sich hier im Dschungel Kräuter finden lassen würden, die sowohl essbar, als auch lecker waren.

Na wenn er meinte...
Zumindest schien dem Kerl seine gute Laune vergangen zu sein. Das war doch schon mal sehr vorteilhaft, dann musste Marc sich nicht weiter darüber ärgern, dass der das hier alles ganz super toll fand. Das sah er nämlich ein bisschen anders und er hätte auch kein Problem damit, das direkt zu kommunizieren. Wenn nicht die dämlichen Kameras wären, die wahrscheinlich nur darauf warteten, sie in einem möglichst unvorteilhaften Licht dastehen zu lassen. Marc kannte dieses Fernsehformat gut genug, um zu wissen, dass die Macher genau darauf abzielten. Und dazu waren sie sich auch nicht zu schade, die Szenen nach ihrem Gutdünken zu schneiden und durchaus auch Sachen auszulassen.
"Dann können wir uns das ja aufteilen", murmelte er statt irgendeiner anderen Antwort nachdenklich. Normal bestimmte man ja einen Teamchef, der für die Aufgabenverteilung zuständig war, aber bei zwei Leuten fand er das ein wenig überflüssig. Da konnte man sich ja auch so einigen.

Marco nickte nur, bevor er sich endlich ganz auf seiner Liege ausstrecke und vorerst die Augen schloss. Zu ihrem Glück war es warm und trocken und sowieso gab es für Marco kaum was schöneres, als die Stille der Natur zu genießen. Dabei summte er leise ein Wanderslied vor sich hin, während er die Zeit einfach genoss. Was sollte er auch sonst großartig tun?
Wenn Marc eine Idee haben würde, würde er sie ihm schon mitteilen. Wenn dem allerdings nichts der Fall war, war es ihm vorerst auch recht. Schließlich schien Marc sich dann auch auf die Vorzüge der Natur einzulassen.

Marc ging das Gesumme fürchterlich auf die Nerven. Der Kerl hatte doch einen an der Waffel. Wie konnte man nur so ein Vollhorst sein? Normal war der jedenfalls nicht. Er hätte bestens darauf verzichten können, zwei Wochen mit so einem Trottel auf so wenigen Quadratmetern festzusitzen. Leider konnte er das jetzt nicht mehr ändern. Das Einzige, was er tun konnte, war, dessen schiefes Liedchen zu ignorieren oder dafür zu sorgen, dass der aufhörte. Momentan fiel ihm aber nicht ein, wie er das bewerkstelligen konnte, ohne sich sofort einen Feind zu machen. Mit den Zuschauern wollte Marc es sich nun nicht verscherzen. Das könnte böse enden.
Aber jetzt hatte er ja mehr oder weniger auch was, womit er sich beschäftigen konnte. Nicht ganz so motiviert probierte Marc alle Kochgeräte aus und fing dann an, für sie beide was zu kochen. Dann konnte er sich wenigstens nicht weiter über Marco aufregen.