The truth is no words

Zufrieden mit sich selber ließ Andreas seine Tasche in die Ecke gleiten, in der sie immer stand. Er hatte heute einiges erreicht und wenn sie so mit ihrem Projekt weitermachten, würde das demnächst vor einem erfolgreichen Abschluss stehen.
Mit einem Klick warf er seinen Kaffeevollautomaten an und warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Der junge Mann, der die andere Doppelhaushälfte anschauen wollte, um sie eventuell zu mieten, würde erst in einer Viertelstunde hier auftauchen, also hatte er noch genug Zeit, den Kaffe langsam auszutrinken und sich währenddessen schon wieder in seine Arbeit zu stürzen, da die Mail eines Kollegens sehr dringend klang und er sich wohl am besten sofort darum kümmerte. Leicht genervt setzte er sich mit seiner Sekräterin in Verbindung und ließ sich dann mit dem Verhandlungspartner verbinden. Sie hatten sich doch bereits geeinigt, warum nun dieser plötzliche Rückzieher?

Leo stieg vorfreudig aus seinem Auto und warf einen Blick in seinen Außenspiegel. Er war zehn Minuten zu früh, aber das machte bestimmt einen besseren Eindruck, als wenn er zu spät kam... Er richtete noch einmal seine Haare und schob sich die Sonnenbrille in die Frisur. Hastig stopfte er sich Handy, Autoschlüssel und Geldbörse in die Hosentasche, bevor er pfeifend auf die ihm genannte Adresse zuging und an der bewohnten Doppelhaushälfte klingelte.

Andy war gerade dabei, seinem Gesprächspartner den Sachverhalt noch einmal deutlicher auseinander zu setzen und darauf zu beharren, dass die getroffene Vereinbarung zu ihrem beidseitigen Nutzen war und ihre Firma sich stets als seriöser Verhandlungspartner bewährt hatte, weshalb es sicher nicht nötig war, eine langjährige, gute Zusammenarbeit aufs Spiel zu setzen, als es an der Tür klingelte. Ein genervter Blick fiel auf die Uhr. Höchstwahrscheinlich war das sein angekündigter Besuch, aber er war leider deutlich zu früh und Andy konnte das Gespräch nun auch nicht beenden. Mit Handy am Ohr lief er zur Haustür, öffnete und lächelte den jungen Kerl entschuldigend an, winkte ihn dann herein, während er stumm den Ausführungen des Idioten am anderen Ende der Leitung lauschte.

Leo schluckte, als er den Mann am Handy antraf. Er schielte zur Uhr und lächelte entschuldigend. "Sorry... aber lieber zu früh, als zu spät, hm?", flüsterte er, bevor er sich brav in den Flur stellte und die Hände in seinen Hosentaschen vergrub. Vielleicht hätte er doch noch einmal um den Block fahren sollen, so viel zu seinem guten ersten Eindruck... Er sah stumm auf seine Schuhe und beschloss, einfach zu warten, bis Herr Köpke fertig telefoniert hatte.

Die leisen Worte brachten Andy zum Grinsen, auch wenn das bei seiner momentanen Genervtheit nicht so wirklich leicht war. Dann wandte er sich ein Stück ab und redete wieder leise und beruhigend auf den Anderen ein, bis der irgendwann nachgab und versprach, dass er in den nächsten Tagen einen Experten vorbeischicken würde, der die Sache noch einmal genauer prüfte.
Zufrieden steckte er sein Handy weg und wandte sich dann dem jungen Mann zu.
"Hallo, freut mich, Sie kennen zu lernen, mein Name ist Andreas Köpke", stellte er sich vor und reichte ihm mit einem Lächeln die Hand. Da er nicht genau wusste, wie man den anderen Namen aussprach, vermied er das lieber, es könnte nur peinlich enden.

Leo bemerkte, dass das Grinsen nicht wirklich echt war, aber das lag bestimmt nur an seinem Gesprächspartner.
Als er endlich fertig telefoniert hatte, ergriff er lächelnd die Hand des Älteren und schüttelte sie. "Ich bin Leonardo Bittencourt, aber.. Sie können auch gerne einfach nur Leo zu mir sagen", lächelte er und schob seine Hände gleich wieder in die Hosentaschen. Seine Mutter hatte ihm eingeschärft, nicht zu wil aufzutreten und sich zurückzuhalten, daher räusperte er sich verlegen. "Alsoo.... kann ich mir das drüben mal ansehen?"

Leo gab sich gleich recht sympathisch und höflich, das war schon mal gut. Andy hatte beide Wohnungen mit viel Mühe hergerichtet und er wollte niemanden haben, der das alles völlig unachtsam zerstörte. Dazu war ihm die Wohnung dann auch zu schade.
Angewiesen war er nicht darauf, sie zu vermieten, also würde er das auch nicht, wenn ihm der potentielle Mieter nicht passte.
"Natürlich", nickte er ihm lächelnd zu, griff sich den Schlüssel vom Sideboard und führte Leo dann aus seiner Wohnung wieder raus und zur Haustür der daneben liegenden, die er schnell aufschloss. Dort ließ er erst Leonardo eintreten und folgte ihm anschließend.

Leo lächelte zufrieden mit sich selbst und hopste die wenigen Stufen herunter, bis ihm auffiel, dass er sich ja gut benehmen wollte. Hastig lief er normal weiter und achtete sogar auf einen geraden Rücken. In der nebenliegenden Wohnung schlüpfte er pflichtgemäß aus seinen Schuhen, bevor er sich neugierig umsah. "Das ist echt... größer, als ich es mir vorgestellt habe. Das ist richtig gut...", stellte er erstaunt fest.

Andy wusste leicht grinsen, als er den Kommentar hörte. Warum schaute man sich eine Wohnung an, wenn man nicht damit rechnete, dass sie einem gefiel? Aber gut, darüber wollte er sich jetzt keine Gedanken machen müssen.
"Freut mich, wenn es dir gefällt. Das hier ist das Wohnzimmer, hier rechts neben ist die Küche und ein Badezimmer ist hier unten auch noch. Oben gibt es ein zweites und noch zwei weitere Zimmer", erklärte er alles.
Seine eigene Wohnung war ähnlich aufgebaut und das reichte auch vollkommen, immerhin hatte er keine Frau an seiner Seite, die das alles mitbenutzen wollte.

"Also... ich meine... die Bilder waren auch schön, aber in echt sieht es noch besser aus!", korrigierte er sich stammelnd und ohrfeigte sich innerlich selbst. Dummer ging es auch nicht mehr!
"Okay..." Er sah sich alle Räume an und ging danach auf die Treppe zu. "Darf ich mir das oben auch noch anschauen? Dann könnte ich schonmal schauen, welcher Raum für was geeignet ist und so.."

Andy musste sich schon zusammenreißen, um sich nicht völlig offensichtlich über das Gestammel zu amüsieren. Trotzdem war ihm der Junge sympathisch, ansonsten hätte er den längst wieder vor die Tür gesetzt.
"Selbstverständlich, und wenn du Fragen hast, ich steh hier", antwortete er und ließ Leo alleine nach oben gehen. Vermutlich brauchte der auch mal einen Moment, um sich alles richtig anzuschauen, in der Nähe eines anderen war man meistens etwas gehemmt und Andy wollte schon, dass der sich die Wohnung auch wirklich gründlich ansah, damit er auch genau wusste, ob er sie wollte. Nach einem Monat einen neuen Mieter suchen zu müssen, lag nicht in seinem Interesse.

"Okay, danke...", lächelte er und rannte neugierig die Treppe nach oben. Das Badezimmer war riesig, besonders gefiel ihm die Badewanne, aber er zwang sich dazu, sich nicht hineinzulegen, um sie zu testen. Der Vermieter stand zwar unten, aber man konnte ja nie wissen... Er durchstöberte jeden Winkel des Obergeschosses und beschloss, dass das größere Zimmer sich gut als Schlafzimmer eignen würde und das kleinere vielleicht als Gästezimmer mit Abstellbereich... Er warf noch einen Blick aus allen Fenstern, bevor er wieder nach unten ging. "Also... ich find das hier echt cool... Gibt es noch mehr Interessenten?"

Andy blieb unten und wartete geduldig darauf, dass Leo wieder nach zurück kam. Währenddessen beantwortete er Sven eine SMS, die der ihm völlig panisch geschickt hatte, was denn jetzt mit dem Auftrag war. Ab und an hatte Andy das Gefühl, in einem Irrenhaus zu arbeiten. Zumindest hatte er so gut wie nie Ruhe vor seinen Kollegen, denn irgendwas lief nie so, wie es das sollte. Und er sollte das dann doch bitte gerade biegen. Demnächst würde er sich für zwei Wochen Urlaub nehmen und in der Zeit absolut nicht erreichbar sein. Vermutlich würde ihre Abteilung dann nicht mehr stehen, aber das war ihm recht egal gerade.
Irgendwann kam der junge Mann auch wieder nach unten und Andy steckte sein Handy weg.
"Es gibt noch jemanden, der sich die Wohnung morgen angucken wird. Du wirst ja sicher auch ein wenig Bedenkzeit brauchen, also ist es wohl am besten, wenn ich mich morgen dann nochmal melde", antwortete Andy.

Leo senkte enttäuscht seinen Blick, als Herr Köpke einen weiteren Interessenten ansprach und seufzte. Aber was hatte er erwartet? So etwas gab es schließlich nicht wie Sand am Meer. "Okay, klar... verstehe ich. Also... mir gefällt es wirklich sehr gut und ich könnte mir das echt vorstellen. Es würde mich wirklich freuen, wenn Sie mich morgen anrufen... Und keine Sorge, ich bin auch kein lauter Nachbar, ich arbeite am Wochenende, da haben Sie also keinen Ärger mit mir." Den letzten Kommentar hatte er sich einfach nicht verkneifen können. Anscheinend wusste der Vermieter nicht, wen er hier vor sich hatte, immerhin war Leo noch nicht so lange in Hannover.

Andy musst sich wirklich bemühen, sich zusammenzureißen, um nicht wegen der mehr als deutlichen Enttäuschung vor sich hinzugrinsen. Das freute ihn doch ziemlich, dass seine Wohnung auf solche Begeisterung stieß. Andersrum wusste er jetzt schon, dass er sie auf jeden Fall loswerden würde. Denn wenn da morgen nicht sonst wer stand, hätte er absolut kein Problem damit, sie an Leonardo zu vermieten. Da brauchte es auch seine Versicherung nicht, dass er keinen großen Lärm veranstaltete. Zumal Andy auch kein Problem hätte, bei zu hoher Lärmbelastung die Polizei zu verständigen. Da hatte er keine besonders große Hemmschwelle. Er kam selten zum Schlafen und da konnte er es nicht ab, wenn man ihn davon abhielt.
"Gut, dann melde ich mich morgen nochmal bei dir", versprach er und hielt Leo die Hand zum Abschied hin.

Leo nickte lächelnd und schüttelte Herr Köpkes Hand, bevor er wieder in seine Schuhe schlüpfte und seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche zog. "Okay... dann... bis morgen", murmelte er zögerlich und hob noch einmal die Hand zum Gruß, als er schon auf dem Weg zum Auto war. Er schwang sich halbwegs guter Dinge auf den Fahrersitz seines BMWs und steuerte diesen zurück zu seinem Hotel, wo er die Zeit überbrückte, bis er etwas Dauerhaftes gefunden hatte.

"Bis morgen", erwiderte er nochmal und sah dann dem jungen Mann nach, der ein nicht ganz billiges Auto fuhr. Vermutlich musste er sich bei ihm keine Sorgen machen, dass er nicht an sein Geld herankam. Das schien nämlich für sein Alter recht reichlich vorhanden zu sein.
Nachdem er erneut abgeschlossen hatte, lief er in seine eigene Wohnung zurück, wo er noch ein paar Dinge erledigte und sich danach schlafen legte.
Am nächsten Morgen musste er wie immer früh raus und da sollte er ausgeschlafen sein.

Leo warf sich in seinem Hotelzimmer sofort auf die Couch und schaltete seine Playstation ein. Er hatte es sich dort so gemütlich wie möglich gemacht, aber trotzdem hoffte er, dass er hier bald ausziehen und seine eigenen Möbel und Habseligkeiten aus der Lagerung holen konnte.
Seufzend spielte er einige Partien, bevor er sich Abendessen liefern ließ und danach ein ausgiebiges Bad nahm.
Danach fiel ihm aber nicht mehr viel ein, das er noch machen konnte, daher telefonierte er kurz mit seinen Eltern, bevor er sich ins Bett legte und kurz darauf einschlief.

Am nächsten Morgen wurde Andy unsanft durch das Weckerklingeln aus seinem tiefen Schlaf gerissen. Nachdem er gefrühstückt und sich fertig gemacht hatte, fuhr er zur Arbeit und fühlte sich dort mal wieder, als wäre er von lauter unfähigen Leuten umgeben, was eigentlich gar nicht so falsch war. Tina hatte es erneut nicht geschafft, die gewünschten Informationen weiterzuleiten, und das zögerte alles doch erheblich raus, ganz abgesehen davon, dass Andy sich von seinem Chef auch sonst was anhören durfte. Seine Laune war den Rest des Tages entsprechend mies. So war er wirklich erleichtert, als er irgendwann zuhause stand und nur darauf wartete, dass der zweite Interessent aufkreuzte. Soweit er wusste, handelte es sich dabei um eine Frau namens Maria Kreuz.

Leo war bereits nervös, als er am nächsten Tag auf dem Trainingsplatz ankam. "Na, wie war die Besichtigung gestern?" "Hm... war echt schön." "Hast du's bekommen?" Leo sah von seinem fertig gebundenen Schuh auf und traf Andrés fragenden Blick. "Noch nicht.. er hat heute nochmal Jemand da." "Oh... aber, da bist du doch im Vorteil, oder? Ich meine, du spielst bei Hannover!" "Ich glaube, das hat er nicht gemerkt...", nuschelte Leo enttäuscht und verzog sein Gesicht, als er schadenfrohes Lachen von ihrem Torhüter erntete. "Tja, nicht alle hier himmeln dich an." "Sei doch leis!", maulte er beleidigt und schlurfte eingeschnappt auf den Platz.

Als um zehn nach sechs immer noch niemand erschienen war, machte Andy sich bereits einen ersten Strich auf seiner imaginären Liste. Da hatte er lieber jemanden, der zu früh kam und ihn bei seinen Gesprächen störte, als jemanden, der sich nicht an Verabredungen hielt. Das war gerade bei einem potentiellen Mieter enorm wichtig, dass Andy sich auf Zahlungen verlassen konnte und auch darauf, dass nichts beschädigt wurde. Weitere fünf Minuten später klingelte es stürmisch an der Tür und das war nicht unbedingt etwas, was Andy dazu brachte, sie in einem positiveren Licht zu sehen. Kaum hatte er die Tür geöffnet, blickte er auf ein mit Schminke zugekleistertes, aber dennoch nicht hässliches Gesicht, Brüste, die beinahe nicht in den Ausschnitt passten, und lange blonde Haare, die immer näher kamen. Skeptisch zog Andy eine Augenbraue hoch, als er auf die Wange geküsst wurde. Kontaktfreudig war sie auf jeden Fall schon mal.

Nach dem Training legte Leo sich in seinem Hotelzimmer auf das Sofa und starrte sein Handy an, um Herrn Köpke per Telepathie dazu zu bringen, ihn anzurufen. Als um 6 Uhr immer noch nichts kam, schnappte er sich seufzend seinen Controller und startete ein neues Spiel auf seiner Konsole. So bekam er schließlich immer die Zeit rum, wenn er auf etwas warten musste. Seufzend ließ er seine Spieler über den Platz rennen, bis er vollkommen vertieft in das Spiel war.

Nach einer sehr kurzen Vorstellung, die Andy nicht mehr für Maria einnahm, führte er sie genau wie schon Leonardo nach drüben, wo sie sich gefühlt eine halbe Minute umsah und dann zufrieden erklärte, dass sie die Wohnung sehr gerne nehmen würde. Andy beschloss, sie gar nicht erst zu fragen, ob sie sich das Obergeschoss auch noch ansehen wollte. Vermutlich würde sie keine zehn Sekunden gucken, sie schien ja eh sehr viel lieber ihn anzustarren. Gut, dass Andy ausreichend Selbstbewusstsein hatte, um sich unter einer solchen Beobachtung nicht unwohl zu fühlen, ansonsten hätte ihr Gestarre ihn noch ganz bekloppt gemacht. Was sie eigentlich hier wollte, wurde ihm dann auch mal klar, als sie ihn küsste und mit derselben Bewegung ihre Hand in seine Hose schob. Einen Moment zögerte er noch, bevor er das Angebot annahm und sie nach dem Sex sofort aus seiner Wohnung komplimentierte. Falls sie irgendwie gehofft hatte, so besser an die Wohnung zu kommen, war das eine ziemlich Fehlannahme, denn Andy hatte wenig Lust auf eine Affäre oder was auch immer. Nach einigen unfreundlichen Worten von Marias Seite aus war sie dann wieder verschwunden und Andy griff sich sein Handy, um Leos Nummer zu wählen.

Leo stöhnte genervt, als wenige Minuten vor Schluss ausgerechnet sein Handy klingelte. Hastig pausierte er das Spiel und angelte das nervige Gerät vom Couchtisch. "Ja?", grummelte er etwas ungeduldig in den Hörer, bevor er sich in Erinnerung rief, dass es ja auch Herr Köpke sein könnte. "Mit... wem spreche ich, bitte?"

Andy war durchaus schon höflicher am Telefon begrüßt worden, aber so schnell, wie Leo das korrigierte, war das kaum der Rede wert. Außerdem störte das Andy so oder so nicht groß, durchgängig gut gelaunte Menschen konnte er auch nicht ab. Jeder fühlte sich mal schlecht oder war genervt von anderen und wer das dann nicht zeigen konnte, der war so oder so wahrscheinlich unendlich falsch und verlogen.
"Andreas Köpke hier", beantwortete er die Frage mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Durch den Telefonhörer sah man das ja zum Glück nicht.