Secrets...

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Benni seufzte. Es war viel zu spät und draußen schon längst dunkel, als er endlich seinen Laptop zuklappte.
Wieder einmal hatte er den gesamten Tag im Büro verbracht, aber das war eben das Opfer, das man bringen musste, wenn man ein aufstrebender junger Manager war.
Viel mehr Kopfzerbrechen als die langen Arbeitstage bereitete ihm die Weihnachtsfeier der Firma in ein paar Tagen.
Er wusste, dass der Chef ihn mochte und er wusste, dass es eine gute Chance war, sich ihm etwas anzunähern. Gleichzeitig wusste er auch, dass der Chef ein Familienmensch war und nichts von seinem normalen Lebensstil hielt. Der bestand schließlich fast nur aus Affären und One-Night-Stands.
Am besten wäre es wohl, wenn er einfach Lisa fragte, ob sie seine Freundin spielte... doch die Gerüchte um seine Homosexualität hielten sich hartnäckig in der Firma und sorgten regelmäßig für Getuschel.
Er seufzte und fuhr sich durch die sorgfältig gestylten Haare, zerrte an seiner Krawatte und lockerte sie so etwas.
Dem Chef hatte er ja auftischen können, dass das alles nur Gerüchte waren, dass er schon lange einen richtigen, festen Freund hatte. Und jetzt sollte er ihn auf der Weihnachtsfeier seinem Chef vorstellen. Und mit dem durfte er es sich nicht verscherzen, wenn er sich gut schlug, winkte immerhin eine Beförderung zum Abteilungsleiter und die wollte er um jeden Preis.
Um jeden Preis...
Nachdenklich runzelte er die Stirn. Seine Kumpel würden nicht seinen Freund spielen, die kritisierten ihn ohnehin nur dafür. Aber mit Geld bekam man bekanntlich alles...
Sofort war sein Laptop wieder aufgeklappt und er fing an, fieberhaft nach dem zu suchen, was er brauchte. Er klickte sich durch unzählige Agenturhomepages, bis eine Seite ihn mit ihrem schlichten Design in den Bann zog.
Im Gegensatz zu vielen anderen wirkte der wirklich seriös und wie ein richtiger Escort und nicht nur eine einfache Hure.
Ohne lang mit der Wimper zu zucken, griff Benni nach dem Telefon und wählte die angegebene Nummer.

Als sein Geschäftstelefon klingelte, schluckte Julian schnell die Kekse herunter, die er gerade genüsslich gemampft hatte. Er wusste ja, dass selbst der erste Eindruck am Telefon wichtig war. Ein bisschen arbeitete er ja schon in der Branche und wusste, wie er sich verkaufen musste. Nach rund zwei Jahren musste er das auch.
Wie er in die Sache gerutscht war, war schon eine verrückte Sache gewesen. Wirklich darüber nachdenken tat er aber nicht mehr. Er hatte sogar Spaß an der Sache gefunden und es war ja auch kein schmutziges Geschäft. Er zahlte brav seine Steuern, also konnte niemand meckern. Es ließ sich auch gut davon leben. Würde er jetzt studieren wie seine alten Klassenkameraden, hätte er sicher keine so große Wohnung, wie er sich jetzt leisten konnte.
Er nahm das Telefon zur Hand, nahm das Gespräch entgegen.
"Hallo, hier ist Marc. Was kann ich für Sie tun?", meldete er sich mit seinem "Künstlernamen". Als würde er da seinen richtigen Namen angeben. Am Ende geriet er nur an einen Verrückten, der ihn stalkte oder sonst etwas.

Die Stimme am Telefon klang angenehm, warm, weich und tief, und Benni fand, dass sie gut zu dem schlanken und dunkelhaarigen Kerl auf den Fotos passte.
Marc... der Name passte irgendwie nicht ganz dazu, aber trotzdem... Benni war sich sicher, dass er sich für das Richtige entschieden hatte.
"Guten Abend", begrüßte er seinen Gesprächspartner höflich. "Ich brauche eine Begleitung für einen wichtigen Termin."
Fürs erste war er noch etwas zurückhaltend.
Er hatte ja schon viel mitgemacht, aber einen Callboy hatte er noch nicht gebucht. Beziehungsweise in diesem Fall einen Escort, der kleine aber feine Unterschied war ihm durchaus bewusst, aber seine bisherigen Erfahrungen mit käuflicher Liebe waren auf ein Minimum beschränkt.

Das hatte er sich fast schon gedacht. Immerhin war er ein Escort. Es war nicht so, dass er nicht auch gerne weiterging, aber das Hauptaugenmerk lag auf dem Begleitservice.
Der Kerl klang jedenfalls schon einmal ziemlich nett. Um Sympathien ging es zwar nicht, aber natürlich war es auch ihm lieber, wenn er keinen schmierigen Schleimbeutel begleiten musste. Der Typ klang aber zumindest nett, war auch noch etwas verunsichert, wie es schien.
"Um was für einen Termin geht es denn? Und an welchem Tag soll das alles sein?"

Benni atmete tief durch. War ja klar, dass der Kerl mehr Informationen brauchte als dass er ihn zu einem Termin begleiten sollte. So war das logischerweise etwas wenig.
"Es geht um eine Betriebsfeier, nächsten Freitag um 19:30 Uhr."
Immer noch etwas wenig Informationen aber Benni war eben noch nciht so hundert Prozent aufgetaut. Der Seite zufolge war Marc 20, damit also einige Jahre jünger als er und im perfekten Alter für eine ernsthafte Beziehung, die allerdings allein aufgrund des Alters noch keine langfristige Familienplanung involvierte. Und das war das letzte,was er seinem Chef vorgaukeln wollte.

"Warten Sie bitte mal kurz", meinte Julian, griff nach seinem Terminkalender. Nächsten Freitag... Das passte sogar. Er musste nur darauf achten, dass er Samstagmorgen wieder zu Hause war. Da hatte er schon den nächsten Termin. Eine dreitägige Geschäftsreise, auf die er mitsollte. Aber Freitag passte gut.
"Okay, Freitag passt wunderbar. Worum genau geht es denn? Soll ich nur ein Date sein oder Ihren Freund spielen?"
Kam ja auch darauf an, wie er sich darauf vorbereiten sollte. Er verlangte ja doch gutes Geld, aber dafür wollte er doch auch einen guten Auftritt abliefern.

Benni seufzte. Der Kerl hatte Erfahrung damit und wahrscheinlich war nicht der erste Geschäftsmann, der eine echte Beziehung vorgaukelte um seinem Ruf etwas gutes zu tun.
"Meinen Freund spielen", erklärte er.
Hoffentlich war er tatsächlich so professionell und gut, wie es die Rückmeldungen auf seiner Homepage hatten vermuten lassen und hoffentlich lohnte sich diese Investition. Immerhin kostete der Kerl eine Stange Geld.

"Okay", meinte Julian kurz. Das war nicht sein erster Job dieser Art. "Was halten Sie von einem Mittagessen? Dann könnten Sie mir etwas über sich erzählen und ich kann mich besser darauf besser einstellen, wie ich mich verhalten soll. Ich denke, das sollte auch in Ihrem Interesse sein."
Außerdem hatte er keine Lust, ich morgen etwas zu kochen. Dann ließ er sich doch lieber zu einem Essen einladen.
"Sie können mir die Eckdaten natürlich auch am Telefon geben. Die Entscheidung überlasse ich Ihnen."
Er sollte sich ja auch zu nichts verpflichtet fühlen.

Diese Vorschlag überraschte Benni etwas, aber wenn er genauer drüber nachdachte, klang es wie eine sehr gute Idee.
"Klingt gut", teilte er ihm mit. "Was halten Sie von morgen gegen halb eins?"
Da hätte er ohnehin Mittagspause und könnte sich in einem Lokal in der Nähe der Firma mit Marc treffen.
Und jemehr er wusste, desto überzeugender konnte Marc seine Rolle spielen.

"Halb eins passt gut." Und ums Kochen musste er sich keine Gedanken machen. In solchen Momenten liebte er seinen Job wirklich.
"Haben Sie ein Lieblingsrestaurant, in das Sie gehen wollen? Und mit wem habe ich überhaupt das Vergnügen?"
Julian wusste ja noch gar nicht, wie sein Gegenüber überhaupt hieß. Wobei der Typ seinen Namen ja auch nicht wusste. Für ihn war er nur Marc.

Benni lächelte zufrieden. Dann funktionierte das ja alles wunderbar.
Er nannte Marc die Adresse seines Lieblings-Asiaten, ganz in der Nähe von seinem Büro, da konnte er sich perfekt mit ihm treffen.
Als er nach seinem Namen fragte, stutzte er erst, aber dann schlug er sich innerlich mit der flachen Hand vor die Stirn. Da hatte er doch glatt vergessen, sich vorzustellen.
"Benedikt", nannte er seinen Namen.
Er freute sich fast schon auf das Treffen mit Marc, immerhin klang er am Telefon ziemlich interessant. Benni wusste ja, dass sie eine rein geschäftliche Beziehung hatten, aber was für ein junger Mann sich hinter einem Escort verbarg machte ihn trotzdem ziemlich neugierig und er war gespannt, ihn kennen zu lernen.

Benedikt also... Schöner Name und passte auch irgendwie zu der Stimme. Mehr kannte er ja noch nicht von Benedikt. Er wusste ja ja noch gar nicht, wie er überhaupt aussah.
"Okay, Benedikt... Dann werd ich morgen in dem Restaurant warten. Ich denke, Sie erkennen mich eher als ich Sie."
Er war ja schon gespannt, wer ihn da so erwartete. Man machte sich ja immer schon ein gewisses Bild und es war jedes Mal aufs Neue spannend, wer sich hinter einer Stimme verbarg.
"Haben Sie sonst noch wichtige Fragen? Ansonsten würde ich vorschlagen, wir sehen uns dann morgen."

Benni verneinte.
Wichtige Fragen hatte er nicht unbedingt, ihn würde nur interessieren, wie weit Julian üblicherweise auf so einem Termin ging, aber das fragte er ihn dann lieber persönlich. Auskennen tat er sich damit ja nicht wirklich, er buchte gerade das erste Mal einen Escort.
"Dann bis morgen", verabschiedete er sich und legte auf.
Das war schon verrückt, was er hier tat. Aber was sein musste, musste eben sein und irgendwo war es auch gerechtfertigt, fand er.
ER beeilte sich jetzt, aus dem Büro zu kommen und machte sich jetzt auf den Heimweg.

"Bis morgen", verabschiedete Julian sich gut gelaunt, legte dann auf. Heute hatte er mal einen freien Abend und den kostete er auch aus, machte es sich gemütlich und ging sogar mal etwas früher ins Bett, schlief sich für morgen aus.
Zehn Minuten, bevor sie sich verabredetet hatten, saß er schon im Restaurant, hatte sich schon ein Wasser bestellt. Sein Blick war auf die Tür gerichtet und er war schon wirklich gespannt, wann sein Termin kommen würde und wie er aussah.

Von den Bildern her erkannte er Marc als er in das Restaurant kam. Er saß an einem Tisch und wirkte durchaus sympathisch.
Benni ging zu ihm und lächelte, setzte sich ihm gegenüber.
"Hallo Marc", begrüßte er ihn freundlich, bestellte bei der eifrig herbeigewuselten Kellnerin, die ihn mittlerweile schon kannte, ebenfalls ein Wasser.
Dann wandte er sich wieder seinem Gegenüber zu.
"Wie geht es Ihnen?" begann er einfach mal mit dem üblichen Smalltalk. Er wusste nicht so ganz, was er sagen sollte, war ein kleines bisschen überfordert mit der Situation, aber er bemühte sich, es zu überspielen.

Julian war positiv überrascht, als er Benedikt sah. Die meisten seiner Kunden waren nun wirklich keine Sexbomben. Aber Benedikt sah wirklich gut aus und Julian fragte sich schon, warum er einen Escort brauchte. Der Kerl fand doch sicher auch so eine Begleitung.
Ihm konnte es aber nur recht sein. Er hatte ein Date mit einem gutaussehenden Mann und wurde dafür auch noch gut bezahlt.
"Mir geht es gut, Danke." Julian lächelte. Er wusste ja, dass seine Kunden meistens etwas unsicher waren. Dabei konnte man mit ihm ja auch ganz normal reden. Er wurde nur dafür bezahlt.
"Und Ihnen? Oder darf ich 'du' sagen?" Wenn er seinen Freund spielte, sollte man schon zum Du übergehen.

Benni lächelte.
"Wäre mir ganz lieb", meinte er. Dann wurde er bestimmt auch etwas lockerer, immerhin sollte er am Freitag auch ganz unbefangen mit Marc umgehen können, umihn glaubwürdig als seinen Freund zu präsentieren.
"Also, ich bin Benedikt." Er hielt ihn die Hand hin und lächelte, immer noch etwas unsicher.
Marc wäre wohl genau der Typ, den er sich in einem Club raussuchen würde, wenn er wollte. Er war groß, dunkelhaarig mit ebenso dunklen und eindrucksvollen Augen, einem attraktiven, wenn auch etwas jungenhaften Gesicht und einem schmalen Körperbau, der durch die schlichte Kleidung durchaus sportlich wirkte. Er war attraktiv, keine Frage, und fast automatisch fragte Benni sich wieder, wie weit er wohl gehen würde. Immerhin hatte er ihn gebucht, für den ganzen Abend.

"Marc", stellte Julian sich noch einmal vor, drückte seine Hand. Er hoffte, dass das Benedikt etwas lockerer machen würde und das Eis langsam brechen würde. Julian war bei solchen Terminen schon längst nicht mehr nervös. Er machte das schon zwei Jahre lang, seit er 18 war. Er kannte sich damit aus, hatte es oft genug mitgemacht.
"Und wie geht es dir? Machst du so etwas das erste mal?"

Benni lächelte, jetzt etwas verlegen und er lockerte seine Krawatte etwas. Eigentlich hasste er die Dinger wie die Pest, aber wenn man Chefs Liebling war musste man manchmal eben Opfer bringen.
"Mach ich", erklärte er. "Ich weiß selber nicht genau, wie ich drauf gekommen bin... aber es klang wie eine gute Idee, seit in der Firma durchgesickert ist, dass ich schwul bin und meine beste Freundin als Alibi flachfällt."
Oh Gott, er geriet ins Labern.
Er war ganz froh, dass die Kellnerin sie unterbrach, als sie ihm sein Wasser brachte und die Speisekarten überreichte. Benni brauchte seine gar nicht aufschlagen, er lächelte nur. "Für mich einmal die Nummer 33 bitte", erklärte er und die Kellnerin schmunzelte. War eben sein Standartessen.

"Verstehe", meinte Julian, als in dem Moment die Kellnerin zu ihnen kam. Im Gegensatz zu Benedikt kannte er die Karte aber nicht so genau, schlug sie auf und suchte sich schnell etwas, das gut klang, bestellte das dann auch gleich.
Er wollte hier auch nicht 10 mal die Karte durchstöbern. Viel lieber lernte er Benedikt etwas besser kennen. Er musste ohnehin noch einiges über ihn in Erfahrung bringen, wenn er seinen Freund gut spielen wollte.
"Aber ein attraktiver Mann wie du findet doch sicherlich leicht ein Date für einen Abend. Wozu einen Escort?", fragte Julian, wollte Benedikt auch etwas schmeicheln. Bei der Feier mussten sie ja auch etwas flirten. Damit konnten sie ja schon anfangen.

Benni lächelte.
Solche Komplimente bekam er öfters zu hören, und er hörte es immer wieder gern. Langsam verlor sich auch seine untypische Unsicherheit und er wurde sicherer.
"Aber die kann man schlecht auf die Geschäftsfeier mit nehmen und dem Chef als Freund präsentieren, ohne dass sie einem danach drei Monate am Hosenbein hängen."
Er bezahlte Marc ja eigentlich nicht dafür, dass er mit ihm da hin ging, eigentlich bezahlte er ihn viel mehr dafür, dass er danach keine Annäherungsversuche von ihm zu erwarten hatte.
"Und Cheffe findet eben, dass ich erst mal sesshaft geworden sein soll, bevor ich die ganz große Verantwortung übernehme."
Und die hätte er als Leiter der Personalabteilung ja definitiv.

"Nicht so der Beziehungstyp?", fragte Julian schmunzelnd nach. War bei ihm selbst ja nicht anders. In seinem Beruf war es ohnehin schwer bis unmöglich, einen Freund zu finden. Aber er kam auch ohne gut klar. Er war zufrieden mit seinem Leben.
Immerhin hatte er jetzt verstanden, warum Benedikt einen Escort brauchte. Solche Fälle hatte er schon gehabt. Heile Welt vorspielen, damit die Beförderung winkte.
"Als was arbeitest du denn überhaupt? Und wissen deine Kollegen etwas von deinem Freund? Nen bestimmten Namen oder Beruf?"
Er war ja schon so ziemlich alles gewesen, hatte kein Problem, in neue Rollen zu schlüpfen.

Benni lachte leise.
"Theoretisch vielleicht sogar schon... praktisch arbeite ich sieben Tage die Woche mindestens zehn Stunden am Tag... da ist nicht mehr Zeit als für einen ONS ab und an."
Dass Julian sich nach seinem Beruf erkundigte, war wenig überraschend für Benni, hatte er schon ziemlich vermutet.
"Ich arbeite drüben bei Mendel&Kinz, in der Personalabteilung."
Manager eben, zumindest auf dem Weg zu einem ebensolchen.

Mendel&Kinz? Sagte ihm persönlich jetzt nichts.
"Welche Branche ist das denn?", fragte er nach, wollte sich wenigstens schon ein bisschen informieren. Zu Hause würde er sich noch mehr informieren und noch mehr in Erfahrung bringen, damit er sich auf der Feier auch gut unterhalten konnte.
"Gibt es sonst Vorgaben zu meiner Rolle? Außer dass wir fest zusammen sind?"

Benni seufzte.
"Laborgeräte", erklärte er. "Wir stellen hochsensible Messgeräte und so ein Zeug her... sowas, was man zum Beispiel in bio- oder gentechnischen Laboren braucht, wenns um ganz präzise Einstellungen und so n Kram geht."
Genau wusste er auch nicht, was das bedeutete, aber er arbeitete ja nicht in der technischen Abteilung, also brauchte er auch nicht mehr zu wissen.
"Und eigentlich gibt es nichts wichtiges sonst noch... wir sind seit zwei Jahren zusammen und du arbeitest ähnlich viel wie ich, deshalb sehen wir uns selten. Das wars eigentlich auch schon wieder."